Mittwoch, 27. Februar 2013

Fahr´ schon mal den Brummi vor – Die Blues-Band Dynamite Daze prekarisiert das Jubez

Kaum eine Subkultur ist so verseucht mit Muckern, wie die deutsche Bluesszene. Gemeint sind Menschen, die ihre eigene Unfähigkeit zur Kreativität mit antrainierter Spieltechnik zu kompensieren suchen und das möglichst lückenlose Herunterbeten der Blues-Genealogie von Robert Johnson bis Joe Bonamassa unter der Rubrik „Einflüsse“ im Bandinfo sowie das Nachspielen der Stücke derselben für ein musikalisches Statement halten. Dabei geht es ja gerade im Blues weniger darum, ein Instrument zu beherrschen, sondern einem Gefühl Ausdruck zu verleihen.  Darum, „dass man über seine Sorgen singt, und sie dadurch loswird“, wie es der Klangkünstler Dirk Dresselhaus mal ausgedrückt hat. „Als Eiterpickel am Arsch sämtlicher schaffender Künstler“ hat ein Schreiberkollege diese Art von Tribute-Combos kürzlich sehr treffend bezeichnet. Eindeutig nicht zu diesen Hautunreinheiten zählen The Dynamite Daze, die am vergangenen Freitag im Jubez spielten.
Vokuhila-Frisuren, Holzfällerhemden, Lederwesten; optisch erwecken die vier mittelalten Herren den Eindruck, als hätten sie nach dem Stempeln den Nachmittag  am Indianerbrunnen auf dem Werderplatz verbracht – dort gelten  derlei Brummifahrer Accessoires noch immer als der modisch letzte Schrei – und seien anschließen mit Aldi-Tüten statt Instrumentenkoffern zum Gig angereist. Dieser Hauch von Verwegenheit verleiht dem ansonsten eher konventionellen Bluesrock Marke „Ten Years After“, den das teils regional, teils international besetzte Quartett zum besten gibt, genau das richtige Gran Prekariats-Charme, über das eine ernstzunehmende weiße Blues-Combo verfügen sollte.
Ihre Arbeit verrichten die Dynamites mit routinierter Verve: Der schottische Schlagzeuger Colin Jamieson, der dem Vernehmen nach in den 70er Jahren mit so zweifelhaften Persönlichkeiten wie Bill Ramsey („Zuckerpuppe“)  und Ted Herold („Ich bin ein Mann“) spielte, thront mit übergroßer 80er-Sonnenbrille, Trilby-Hut und verschlissenen Klamotten hinter dem Drumkit. Mit seinem verlebten Gesicht sieht er aus wie 82, haut aber rein wie 28 – Respekt! Gitarrist Martin „Professor“ Czemmel lugt verschmitzt unter seiner Trucker-Mütze hervor und lässt zünftig die Slide jaulen. Andrea Tognoli aus Mailand schrubbt fröhlich den Bass. Und Frontmann Didi Dynamite aus Uppstadt-Weiher im giftgrünen T-Shirt über dem Schmerbauch singt, als habe er die staubtrockene Kehle zeitlebens mit nichts anderem als billigem Dosenbier geölt.
Hinzu kommt eine gehörige, europäischen Blues-Adepten gerne fehlende, Kelle Humor. Songs heißen „I´m tired but I´m lonely”, behandeln die krude Story von  “Bertram the Werewolf” oder die des „Transsilvania Express”. „Wir sind grad mystisch drauf, das kommt, wenn man in der Jugend zu viel LSD-nimmt“, erklärt Didi den Hang zum Skurrilen. 
Das alles ist allererste Blues-Abschaum-Sahne und macht Lust mächtig Lust auf einen Fleischkäswegg von Johnny´s PS-Stube, dem längst verschwundenen ehemals letzten Rückzugsort der Karlsruher Tuningfraktion, und eine schöne Kurmark-Zigarette danach.

1 Kommentar:

  1. 'Eiterpickel'? ...selten eine treffendere - wenn auch bösartige - Beschreibung des regierenden Bluesestablishments hierzulande gelesen.
    Ja wir versuchen allen Ernstes nicht einfach nur nachzubeten was andere
    schon vorgegeben haben, textlich wie musikalisch.....
    und mit mehr artistischem Impetus als unser Auftreten vielleicht vermuten lässt.
    ich fühle mich geehrt lieber Felix...
    grüsse vom professor

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