Trotz des Pokalschlagers zwischen dem amtierenden
und dem wahrscheinlich zukünftigen deutschen Meister ist das Substage
proppenvoll. Auf ihre weiblichen Fans können sich Madsen offenbar verlassen. Denn
ohne deren Einsatz wäre der Laden heute vermutlich nur halb gefüllt.
Typischerweise schaut sie erwartungsvoll auf die Bühne, wo ein einsamer Roadie sämtliche
Instrumente ausgiebig stimmt und in nahezu zenhafter Seelenruhe überprüft.
Währenddessen guckt er immer wieder nervös auf sein Smartphone guckt und verflucht
vermutlich insgeheim diesen Bastard dort vorne, der mit seiner Trödelei alle
Hoffnung, rechtzeitig zur zweiten Halbzeit vor irgendeinem Fernsehgerät zu
sitzen, zunichtemacht.
Doch keine Spur von schlechter Laune bei
Konzertbeginn: kaum legt das aus den drei Madsen-Brüdern Sebastian (Gesang),
Johannes (Gitarre), Sascha (Schlagzeug) und Bassmann Niko Maurer bestehende
Quartett los, fangen die Leute bis hinten ans Mischpult an zu springen und zu
klatschen. Dass der im Grunde recht gewöhnliche aber druckvolle Punkpop-Indierock
der live um Keyboards und eine zweite Gitarre aufgestockten Band stark an die
Toten Hosen erinnert, mag diesen Enthusiasmus erklären. Sonstige Ausrufezeichen
fehlen.
Zwar verfügt Sebastian Madsen in seiner Jovialität als
Frontmann nicht annähernd über die Eindringlichkeit eines Campino, aber
wahrscheinlich ist es gerade die etwas vierschrötige Unverblümtheit, welche die
Wendländer bislang alle Stürme überdauern ließ. Während zunächst vor ihnen auf
der Neuen-Neuen-Deutschen-Welle surfende Konkurrenten wie Juli, Silbermond oder
Wir Sind Helden, mit ihrem betrügerisch als Rockmusik etikettierten Geschnulze
und Powerpuff-Pony-Pop längst abgesoffen sind, stehen Madsen noch immer aufrecht
auf ihren Brettern.
Wie kommt das? „Ein Fahrrad fällt normalerweise
im Stehen um, nicht, solange es fährt“, wird sich die Band gesagt haben.
Folglich wird in ihren Liedern ständig irgendwohin aufgebrochen: „Weil
du nur einmal lebst / willst du, dass sich was bewegt / bevor du gehst“, heißt
es in „Du schreibst Geschichte“. „Die Reise geht weiter, es hört nie auf / Die
Reise geht weiter, ich lauf und lauf „ in „Wo es beginnt“.
Doch wozu das ganze Herumgerenne, wenn man am Ende doch
nicht vom Fleck kommt? „Jetzt bin ich wieder hier / Frag mich, ‚was ist
passiert?‘/ Stell mit Bedauern fest / Dass alles unverändert ist“, erkennt
Sebastian Madsen in „Vielleicht“.
Das literarische Motiv der Reise reicht von Homers
Odyssee über die Road- und Drogentrips der Merry Pranksters in den 60ern bis in postmoderne Feuchtgebiete. Doch
wollten die Protagonisten dort entweder etwas über ihren Körper beziehungsweise
ihr erweitertes Bewusstsein erfahren oder wenigstens einfach nur nachhause.
Gute Gründe also sich auf Fahrt zu begeben. Man sollte sein Ziel kennen,
sonst kommt man nie an, nicht einmal in Bon Scotts Rock´N´Roll-Hölle.
Madsen dagegen begnügen sich damit, vorerst nicht umzufallen:
„Jeder flieht auf seine Weise“, singt Sebastian gemeinsam mit Keyboarderin Lisa
Nicklisch, die „So cool bist du nicht“ noch mit etwas Zuckersirup versüßt – und
sei es nur vor dem eigenen Schatten.
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