Nach ihrem letzten Studiowerk „The Birth Of Doubt“ hatten Shy Guy At The Show (SGATS) wohl endgültig mit den himmlischen Autoritäten verspielt. Das monumentale Konzeptalbum der kultivierten Düster-Rocker kreiste um die ziemlich bizarre Story eines gefallenen Engels, der sich nach dem Absturz, frei nach Goethes Hymne „Prometheus“, mit den Niederungen des irdischen Daseins auseinanderzusetzen hatte. Schluss, aus, ewige Verdammnis! Doch jetzt setzt das lichtscheue Quintett aus Karlsruhe mit seinem neuen, selbstbetitelten Album (VÖ: 5. April via Équinoxe/Nova MD) erneut an, abzuheben.
Das Wagnis sollte gelingen! Denn
was SGATS auf Platte Nummer vier abliefern, ist einfach ganz, ganz großes,
episches, romantisches Goth-Kino. Die Band um den byronesquen Frontmann
Sebastian Emling klingt inzwischen künstlerisch derart überreif, als hätte Nick
Cave mit den Sisters of Mercy in einer schummrigen Krypta viel zu viel blutschweren
im Eichensarg ausgebauten Rotwein geschlürft;
und ein Ghul, der Alan Wilder war, dazu die Keyboards gespielt. SGATS nehmen
ihre Zuhörer mit hinab ins Reich düsterer Lyrics und spielen sich dann mit
Macht zurück an die spiegelnde Oberfläche ihres flirrenden Dark Wave.
Doch eine Spazierfahrt ins Grüne ist dieser
düstere Goth-Trip weiß Gott nicht: Bergwärts geht die Reise zunächst, hinauf zu von
dunklen Synthies umwölkten schneebedeckten 80er Koksgipfeln („Clouds Of Air“).
Dann wieder hinab zu deren ehernen Wurzeln, die bis hinunter in bodenlose Rohypnol
umspülte Dunkelpop-Abgründe reichen („Tenderness“).
Aus den lebensfeindlichen Tiefen
wird der Reisende herausgespien wie Jonas aus dem Bauch des grauenerregenden
Leviathan. Unsanft landet er auf endlosen froststarren Elektronika-Ebenen
(„Home“). In der Ferne ragen verschwommen die halbversunkenen monolithischen
Klagemauern äonenalter Tempel aus dem Nebel der Zeit („Walls Of Misery“).
Drinnen starren die stummen Standbilder schattenhafter Götter-Dämonen aus
schwarzem Basalt mit blinden Marmoraugen in die ewige Finsternis feuchter New
Wave-Grüfte („Tears Of Ice“).
Doch auch einige tröstliche
Momente gibt es. Sie sind voll sanfter Poesie: Eine Ballade („76 Degrees“)
lässt am Ende dämmriger madenzernagter Tunnel die Sonne aufgehen, Erlösung
verheißend. Doch wehe, unglücklicherweise sitzt in der leuchtenden Aureole der Herr der Fliegen persönlich – mit
gespenstisch hohlem Kehlgesang höllische Folk-Songs intonierend („Walk With The
Devil“).
Nichts, absolut nichts ist an diesem Album gewöhnlich, nichts
fantasielos, nichts langweilig – aber vieles Großartig! Die Releaseparty wird am Freitag, 5.
April, ab 20 Uhr, im Radio Oriente gefeiert. Weitere Infos:
www.sgats.de
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