Posts mit dem Label Indie werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Indie werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

Montag, 24. August 2015

Besoffen am Strand - Lax Lizzard haben den Surfshark Style

Nineties as Hell: Lax Lizzard   Foto: Band
So einen Urlaubstag sollte jeder Junge, dessen Herz im Takt des Rock´n´Roll schlägt, einmal durchlebt haben: Nach in diversen Strandbars und Beachclubs durchzechter und durchkokster Nacht, liegst Du  mit ein paar Dosen  Konterbier im Kopf in der Mittagshitze schön besoffen am Strand, hörst den Wellen zu und glotzt aus Augen wie Blutpfützen hinter Schweineschlitzen den vorbeiflanierenden Strandnixen selig auf die beim Laufen hin und her pendelnden braungebrannten Ärsche. Du ziehst genüsslich an dem Riesenjogi, den dein bester Kumpel gerade gerollt hat, und denkst: „Yeah, that´s live, baby! Natürlich darf bei solchen Gelegenheiten der passende Soundtrack aus der Boombox nicht fehlen. Den liefern Lax Lizzard mit „Da Beach“ ohne Zweifel. Und zwar in gleich dreifacher Ausführung! Denn der Titelsong der Debut-CD-Single dieser vier Berliner Spaßvögel kommt nicht nur in einer oder zwei, sondern gleich drei Versionen daher. Zunächst als Alternative-Rock mit Reggae-Feeling, der so entspannt klingt als habe Mike Patton an einem sonnigen Nachmittag mal nix besseres zu tun gehabt, als diesen Song aufzunehmen. 
Welcome to da beach.  Foto: Band
Zum „Baydrive Remix“  hat Dieter Roth herrlich asige Hip-Hop-House-Dance-Synthies beigesteuert, diesen sollte man also unbedingt zum Cruisen an der Strandpromenade auflegen. Mein persönliches Highlight ist indessen der „Surfshark Style“, der lautstark an den Funk/Acid Jazz der rockigen Jamiroquai erinnert. Wer in den 90ern jung war, wird dieses Scheibchen lieben. Als Dreingabe gibt es zu „Da Beach“ und zum „Surfshark Style“ noch je ein Video mit jeder Menge exotischer Strandschönheiten– oder besser gesagt, insgesamt ein Video. Denn bis auf die Musik sind die Dinger identisch. Ein Spaß! 
Im Übrigen legt die Band Wert auf die Feststellung, nicht jeden Tag den ganzen Tag besoffen zu sein - auch nicht am Strand. "Unser Ansatz war schon eher hippiesque", sagt Gittarist Carsten.

Montag, 17. August 2015

Gute Musik für schlechte Menschen - Frank Turner bringt Album Nr. 6 heraus

Läst es raus: Frank Turner beim Highfield-Festival 2014   Foto: Henry W. Laurisch
Soeben hat Frank Turner sein sechstes Album herausgebracht. „Positive Songs For Negative People“ (Universal) unterscheidet sich nur in Nuancen vom erfolgreichen Vorgänger „Tape Deck Heart“: Sehr eingängiger und folkig angehauchter Indierock mit Punk-Attitüde. Das besondere an Turners energetischen Pop-Songs ist, dass sie sich nicht nur prima im Fußballstadion mitgrölen lassen, sondern auch im intimen Rahmen das Herz berühren. Mal melancholisch, mal aufbauend. Aber immer ehrlich und mit ganzer Seele dargeboten.
Prägend für den musikalischen Schaltplan des heute 33-Jährigen, der ihn als festverdrahteten Analogiker ausweist, waren hörbar die 90er Jahre. Im zarten Alter von zehn sah der im Inselkönigreich Bahrain geborene Sohn eines Investmentbankers und einer Schuldirektorin bei einem Schulfreund ein Iron Maiden-Poster an der Wand hängen. „Es war das Motiv von ‚Stranger In A Strange Land‘, dieser Zombie-Cowboy in der Zukunft“, berichtet der freundlich beredte Turner, Begeisterung in der Stimme. „Ich hatte natürlich keine Ahnung, was das ist, aber ich fand das Bild großartig!“Sobald jung Frank in Erfahrung gebracht hatte, dass es sich bei seiner Neuentdeckung um das Plattencover einer Heavy Metal-Band handelte, waren die Weichen für seine Berufswahl gestellt. „Ich zog los und kaufte mir das ‚Killers‘-Album von Maiden. Seitdem wollte ich nichts anderes mehr machen, als Musik spielen.“ 
Da Turner sein Songschreiber-Handwerk ohrenscheinlich eher an The Clash und Fairport Convention schulte, kann diese musikalische Epiphanie schon überraschen. „Meine Musikerziehung verlief in umgekehrter Reihenfolge“, erzählt er. Außer für Maiden begeisterte  sich Turner, der mit Bleistiftbart und dunklen Locken mehr wie ein italienischer Fußballer denn ein englischer Troubadour aussieht, früh für instrumentelle Splitterholz-Enthusiasten wie Metallica oder Pantera. Dank der schrillen Stirnband-Rocker Guns´N´Roses und deren schwermütigen Henker Nirvana, fand er schließlich zum Punk, „Descendents, Black Flag und all so was“. Einer Leidenschaft, der er noch heute mit seinem Nebenprojekt Möngöl Hörde frönt. 
Logische Konsequenz: ein Engagement bei der Hardcore-Combo Million Dead, mit der er zwischen 2001 und 2005 zwei Alben einhämmerte. Für Turner, der nebenher am noblen Eton College und der London School of Economics (Mick Jagger lernte hier sein Geld zählen) ein Geschichtsstudium absolvierte, eine lehrreiche Zeit: „In Punk-Bands habe ich Spielen gelernt.“ Diese Urkraft steckt noch heute in ihm: „Jeder Soundmann sagt, ich sänge verdammt laut. Ich habe einfach sehr viel Übung darin, in ein Mikrofon zu brüllen.“ 
Heute läuft bei Turner alles ein wenig kontrollierter, im Vergleich zu den Zeiten, als er durch Glasscherben-übersäte Punkrockschuppen tingelte, statt sich in ausverkauften Konzerthallen feiern zu lassen. Nach dem Ende von Million Dead schnappte er sich eine Akustikgitarre, studierte die Songs von Bob Dylan, Neil Young sowie Bruce Springsteen und zog aus, um sich vom wütenden Anarcho zum von Fans und Kritikern gleichermaßen bewunderten Entertainer zu mausern. 
Für Frank Turner kein Bruch, sondern ein natürlicher Prozess. „Je besser ich zu singen und zu spielen lernte, desto mehr Wege, mich auszudrücken, fand ich, die darüber hinausgingen, mir das Hemd vom Leib zu reißen und herumzuschreien.“ 
Trotz der Provenienz seiner Vorbilder ist sein Sound weder amerikanisch, noch glatt. Turner und seine Begleitband, die Sleeping Souls, sind so unverkennbar britisch, wie Monty Python’s Flying Circus, Tweed-Stoff oder Black Pudding. „Wenn man Bruce Springsteen spielen hört, wird man schnell feststellen, dass er aus New Jersey kommt“, erläutert Turner. „Dennoch singt er nicht nur über New Jersey, sondern über Heimat. Sich von Springsteen beeinflussen zu lassen, kann bedeuten, ihn zu kopieren oder eben dieses Ethos zu nehmen, das er verkörpert, und darüber zu singen, woher man selbst kommt.“ 
Woher er kommt und vor allem woran er glaubt, daran lassen Frank Turners von infektiösen Hooklines befallene Lieder keinen Zweifel. Zeilen wie “I still believe in the need/ For guitars and drums and desperate poetry” zeugen gleichermaßen von Witz und Grandezza, wie man sie heute nur selten findet. Und so verkommt der lustige Messias Turner, der nahezu ohne weltlichen Besitz – von einer tausende Stücke umfassenden Plattensammlung abgesehen – im Haus eines Freundes lebt, sofern er nicht gerade auf Tour ist, trotz seines gelegentlichen Hanges zur übergroßen Geste nie zur Karikatur.

Dienstag, 23. Juli 2013

Tod, Teufel und Festilenz – Shy Guy At The Show trotzen der Hitze bei „Das Fest“ mit kühler Gruft-Atmosphäre




Schwarzer Blazer, schwarzes Hemd, schwarze Jeans; Sebastian Emlings einzige Konzession an das strahlende Sommerwetter ist die schwarze Sonnenbrille. Doch dunkle Augengläser trägt der sinistre Sänger dem guten Beispiel von Corey Hart („Sunglasses at Night“) folgend vermutlich auch bei Nacht. Nicht nur, wenn er am helllichten Samstagmittag mit seiner Band Shy Guy At The Show (SGATS) beim Karlsruher Open-Air-Spektakel «Das Fest» auf der Bühne steht und mit Grabesstimme gegen die brüllende Hitze ansingt.
Während die Besucher des Musikfestivals in der Parklandschaft der Günther-Klotz-Anlage jedes Fleckchen Schatten ausnutzen, um sich ein wenig Kühlung zu verschaffen, verbreiten die Karlsruher Gothic-Poeten auf der Feldbühne ungerührt eiskalte Gruft-Atmosphäre.
Wie sich dabei neue Wave-Hymnen vom aktuellen selbstbetitelten Album wie „Smash Your Love“ oder „Tears Of Ice“ und Klassiker wie „Paris in Flames“ oder „Close“ aneinanderreihen – so nahtlos wie das schwarze Zyklopmauerwerk einer namenlosen Kultstätte einer vor Äonen untergegangenen extraterrestrischen Zivilisation am Südpol – ist ein weiterer Beweis für diese von deutschen Festival-Bookern zu Unrecht sträflich missachteten Band.
Das Geheimnis, warum sie SGATS hier zur Kaffeezeit auf die Bühne geschickt haben, werden die Veranstalter wohl mit ins Grab nehmen. Denn von letzter Ruhe ist beim Publikum trotz der frühen Stunde keine Spur – anders als während den Performanzen der später spielenden Bands: Alt und Jung zelebrieren fröhlich den Danse macabre um eine frisches Nass spendende Sprinkleranlage.
Überhaupt kann man den „Fest“-Machern für die Programmgestaltung kein makelloses Zeugnis ausstellen: Viele murrten über die „deutsche Welle“. Und tatsächlich rissen nicht alle einheimischen Acts das Publikum von der Grasnarbe: Die Münchner Spaßfußballer Sportfreunde Stiller, Liedermacher Bosse mit seinem freundlich belanglosen WG-Pop und Reggae-Star Gentleman verbreiteten – Langeweile. Aus der Riege der angereisten ach so hochgelobten deutschen Pop-Bundesligaspieler setzten lediglich Seeed ein unumstrittenes Glanzlicht.
Wem der ganze Trubel sowieso zuwider war, der hatte die Chance, sich SGATS am Samstagabend gleich noch einmal anzusehen. Diesmal auf dem Freigelände der Rheinschänke unweit der Fähre beim idyllischen Ursprungsort der Band, Leimersheim. Diesmal sorgten ein roter Vollmond und flackernde Fackeln für das richtige Ambiente – von den zahllosen Mücken, die den (licht)scheuen Jungs unpassender Weise statt Fledermäuse um die Köpfe kreisten einmal abgesehen. Egal, als Emling nach über zwei Stunden Spielzeit die völlig aufgelösten SGATS-Fans mit einem markerschütternden „Rebel Yell“ in die laue Sommernacht verabschiedete, hatten SGATS nicht nur die mittägliche Hitzeschlacht vergessen gemacht, sondern sogar die Schnaken besiegt. More, more, more!


Dienstag, 9. Juli 2013

Alice In Chains – schwere Knochen


Wissenschaftler haben festgestellt, in der Zeit kann man nicht zurückreisen. Ohrenscheinlich haben Alice In Chains einen Weg gefunden dieses Problem zu umgehen, indem sie sich mit ihrem neuen Album unterm Arm, puff, direkt aus dem Jahr 1995 in unsere Gegenwart gebeamt haben. Ein stinkender alter Knochen ist „The Devil Put Dinosaurs Here“ (Capitol/Universal) entgegen seines fossilisierenden Titels jedoch keineswegs. Noch bevor  die vier Songs, die dem wirklich grandiosen Titeltrack vorausgehen, abgespielt sind,  haben die vier wildgewordenen Paläontologen eindrucksvoll bewiesen, dass ihre urwüchsigen Kreativkräfte locker noch bis zur nächsten Eiszeit reichen. Die Debatte, ob Neusänger William DuVall den verstorbenen prometheisch begabten Layne Staley nun würdig genug vertritt oder nicht, sei hier mal ausgeblendet (ich meine, ja). Dies ist ohnehin Jerry Cantrells Album: Schon der Opener „Hollow“ stampft mit seinem keulenschwänziger Euoplocephalus von einem Riff dermaßen, dass sich noch zehn Kilometer weiter das Wasser auf den Pfützen kräuselt.
Doch das ist nur das Vorspiel.  Im Stück, welches dem Nachfolger der 2009er Comeback-Platte „Black Gives Way To Blue“ seinen Namen gab, lässt Cantrell gleich einem zyklopischen Schöpfergott, der mit seinem Instrument Raum und Zeit beherscht, eine prähistorische Welt wiedererstehen: gewaltige Triceratopses krachen ihre mächtigen Nackenschilde aufeinander, gigantische schwanenhalsige Brontosaurier durchmessen donnernden Schrittes dieses urzeitliche Reich, über dem mächtige Flugechsen ihre endlosen Kreise ziehen, und schlagen mit ihrem hohlen Gebrüll selbst den furchterregenden T-Rex in die Flucht. Kolossal, was der Mann aus seiner Gitarre herausholt!
Doch AIC können nicht nur Jura sondern auch Subatlantikum, also Erdneuzeit: „Scalpel“ ist eine leicht Beatles-verliebte Halbballade, wie sie auch The Velvet Underground & Nico hätten bringen können. Aber die Echse schlägt unmittelbar zurück, „Phantom Limb“ ist purer archaischer Teergruben-Metal. „Hung On A Hook“ danach klingt ein wenig als würden Trouble „Down In A Hole“ spielen.
 „The Devil Put Dinosaurs Here“ ist AICs „Mob Rules“. Vielleicht nicht ganz so stark wie der Vorgänger, aber echt urig und teuflisch gut!
 
Im Jura unterwegs; Alice In Chains 2013




Mittwoch, 27. März 2013

Zeitreise mit In-Drinks - Shout Out Louds zelebrieren die 80er



Ist montags im Substage denn Veneziano-Tag? Der Club ist fest in Frauenhand, männliche Begleitungen schmiegen sich geradezu ängstlich an die Partnerin. Nein, die schwedische Indie-Band Shout Out Louds hat sich angekündigt. Pünktlich zum zehnjährigen Bandjubiläum haben die Stockholmer ihr neues Album „Optica“ draußen und das geht offensichtlich insbesondere der weiblichen Hörerschaft runter wie ein spritziges In-Getränk.
Doch zunächst bleibt es bodenständig: Die Rolle des Aperitifs fällt MightyOaks zu. Der  struppige Neo-Folk der Berliner, irgendwo zwischen Fußgängerzone und Mumford and Sons angesiedelt, ist auch recht süffig. Doch so recht Gehör verschaffen kann sich das Trio bei der eifrig schwatzenden und schnatternden Menge heute nicht.
Die Shout Out Louds hingegen müssen nicht einmal ihre Stimmen erheben (Randbemerkung: auf „Shout It Out Loud“, die 1976er Hit-Single der Hardrock-Gruppe Kiss, bezieht sich der Bandname mit Sicherheit nicht!), um sich die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Publikums zu sichern. Adam Olenius, ganz in Schwarz, wird daran nicht ganz unschuldig sein: Der Mann mit dem schmachtenden Blick klingt wie der Klon von Cure-Sänger Robert Smith, hat aber keine Spinnweben im Haar. Was soll da noch schief gehen?
Aus der Zeit fallend: der Sound. Zwischen Bühne, Mischpult und Beschallungsanlage werden die Klangwellen ganz offensichtlich mithilfe modernster Technik durch ein Wurmloch ins Jahr 1987 geschickt, dort dem Zeitgeist entsprechend  aufbereitet und dann wieder ins hier und heute übermittelt. Zugegeben, die Theorie ist gewagt. Doch die Beweise sind unüberhörbar: die New Order-Did-did-did-dad-daaahd-Keyboards, die Depeche Mode- Wellness-Spa-Synthies, die hibbeligen Gitarren und die mumpflig klingenden Drums.
Das Quintett feiert mithin keine grelle Cocktailparty, sondern unternimmt vielmehr einen malerischen Nostalgie-Trip in die goldene Ära des New Wave- und Synthie-Pop. Angesichts dieser liebevollen Rekonstruktionsarbeit und der Tatsache, dass die Schweden ihre Instrumente für eine Indie-Combo mehr las passabel beherrschen, ist es bedauerlich, dass sie kompositorisch an die Giganten der Referenzepoche nicht heranreichen. Die ganz großen Hit-Melodien fehlen. Eine unterhaltsame Zeitreise trotzdem.





Dienstag, 26. März 2013

Maden in Rotwein - Neues Album von Shy Guy At The Show


Nach ihrem letzten Studiowerk „The Birth Of Doubt“ hatten Shy Guy At The Show (SGATS) wohl endgültig mit den himmlischen Autoritäten verspielt. Das monumentale Konzeptalbum der kultivierten Düster-Rocker kreiste um die ziemlich bizarre Story eines gefallenen Engels, der sich nach dem Absturz, frei nach Goethes Hymne „Prometheus“, mit den Niederungen des irdischen Daseins auseinanderzusetzen hatte. Schluss, aus, ewige Verdammnis! Doch jetzt setzt das lichtscheue Quintett aus Karlsruhe mit seinem neuen, selbstbetitelten Album (VÖ: 5. April via Équinoxe/Nova MD) erneut an, abzuheben. 


Das Wagnis sollte gelingen! Denn was SGATS auf Platte Nummer vier abliefern, ist einfach ganz, ganz großes, episches, romantisches Goth-Kino. Die Band um den byronesquen Frontmann Sebastian Emling klingt inzwischen künstlerisch derart überreif, als hätte Nick Cave mit den Sisters of Mercy in einer schummrigen Krypta viel zu viel blutschweren im Eichensarg ausgebauten  Rotwein geschlürft; und ein Ghul, der Alan Wilder war, dazu die Keyboards gespielt. SGATS nehmen ihre Zuhörer mit hinab ins Reich düsterer Lyrics und spielen sich dann mit Macht zurück an die spiegelnde Oberfläche ihres flirrenden Dark Wave.
Doch eine Spazierfahrt ins Grüne ist dieser düstere Goth-Trip weiß Gott nicht: Bergwärts geht die Reise zunächst, hinauf zu von dunklen Synthies umwölkten schneebedeckten 80er Koksgipfeln („Clouds Of Air“). Dann wieder hinab zu deren ehernen Wurzeln, die bis hinunter in bodenlose Rohypnol umspülte Dunkelpop-Abgründe reichen („Tenderness“).
Aus den lebensfeindlichen Tiefen wird der Reisende herausgespien wie Jonas aus dem Bauch des grauenerregenden Leviathan. Unsanft landet er auf endlosen froststarren Elektronika-Ebenen („Home“). In der Ferne ragen verschwommen die halbversunkenen monolithischen Klagemauern äonenalter Tempel aus dem Nebel der Zeit („Walls Of Misery“). Drinnen starren die stummen Standbilder schattenhafter Götter-Dämonen aus schwarzem Basalt mit blinden Marmoraugen in die ewige Finsternis feuchter New Wave-Grüfte („Tears Of Ice“).
Doch auch einige tröstliche Momente gibt es. Sie sind voll sanfter Poesie: Eine Ballade („76 Degrees“) lässt am Ende dämmriger madenzernagter Tunnel die Sonne aufgehen, Erlösung verheißend. Doch wehe, unglücklicherweise sitzt in der leuchtenden Aureole der Herr der Fliegen persönlich – mit gespenstisch hohlem Kehlgesang höllische Folk-Songs intonierend („Walk With The Devil“).
Nichts, absolut nichts ist an diesem Album gewöhnlich, nichts fantasielos, nichts langweilig – aber vieles Großartig! Die Releaseparty wird am Freitag, 5. April, ab 20 Uhr, im Radio Oriente gefeiert. Weitere Infos: www.sgats.de




Donnerstag, 21. März 2013

Harmful sind der Indie-Hulk

„In“ im Sinne hinterm Horizont weitergehender Kokslinien und Ozeanen kreischender Mädels waren Harmful noch nie. Nicht einmal in den 90ern, als sie es eigentlich unbedingt hätten sein müssen. Da stand die Worterweiterung „Indie“ noch für Unbestechlichkeit und Widerstand und der musikalische Underground war noch nicht von Typen bevölkert, die mit dickeren Tränensäcken als Eiern herumlaufen. Dass die Frankfurter heute „out“  seien, lässt sich von daher nicht sagen. Ob man angesichts von etwa fünfzig Aufrechten, welche die Noiserocker am vergangenen Freitag ins Substage zogen, allerdings noch von künstlerischer Integrität oder schon von Masochismus sprechen muss, darüber ließe sich streiten.
Was die Anwesenden allerdings erleben durften, war nicht Selbstquälerei einer Band, sondern hoher Musikgenuss. Helle Sinnenfreude verbreiteten schon die Aufheizer Tanertill. Gitarre und Schlagzeug, mehr brauchte das Duo nicht, um die Kacheln von den Wänden zu rocken. Denn die zwei Münchner haben Ideen für zehn – und können spielen wie zwanzig. Das klingt mal funky-progressiv wie Primus, mal abgepfiffen wie Hawkwind und mal düster wie Soundgarden; beeindruckend und unterhaltsam!
Dann kommen Harmful und machen ohne viel Federlesens genau das, wovon ihr Name kündet: bedrohlichen Krach! Ist das jetzt Noiserock, Indie, Hardcore oder Metal?  Schnuppe ist das! Aren Emirze lässt seine sandfarbene Fender Telecaster scheppern, dass die Ohren klingeln. Chris Aidonopoulos kontert mit meandernden bis zur Unkenntlichkeit verzerrten Basslinien. Im Hintergrund wichst Flo Weber derartig auf seinem Schlagzeug herum, dass es nur durch stetiges Aufbringen neuer Schichten Gaffer-Band vor dem Auseinanderfallen bewahrt werden kann.
Was Harmful liefern, ist nicht weniger als der unheimliche Soundtrack zur Verwandlung Bruce Banners in den unglaublichen Hulk. Seit einem Unfall mit einer Gamma-Bombe mutiert der schmächtige geniale Wissenschaftler bei jedem Anflug von Wut in ein grünes rasendes Monster. Und plötzlich schrumpft der große leere Saal ganz klein zusammen, als würde der Hörer wie im Comic selbst zu einem hünenhaften Kraftprotz, der alles um sich herum kurz und klein schlägt. UuuuuaahAAAARRRRRRRGHHHHHH!