Wissenschaftler haben festgestellt, in der Zeit kann man nicht zurückreisen. Ohrenscheinlich haben Alice In Chains einen Weg gefunden dieses Problem zu umgehen, indem sie sich mit ihrem neuen Album unterm Arm, puff, direkt aus dem Jahr 1995 in unsere Gegenwart gebeamt haben. Ein stinkender alter Knochen ist „The Devil Put Dinosaurs Here“ (Capitol/Universal) entgegen seines fossilisierenden Titels jedoch keineswegs. Noch bevor die vier Songs, die dem wirklich grandiosen Titeltrack vorausgehen, abgespielt sind, haben die vier wildgewordenen Paläontologen eindrucksvoll bewiesen, dass ihre urwüchsigen Kreativkräfte locker noch bis zur nächsten Eiszeit reichen. Die Debatte, ob Neusänger William DuVall den verstorbenen prometheisch begabten Layne Staley nun würdig genug vertritt oder nicht, sei hier mal ausgeblendet (ich meine, ja). Dies ist ohnehin Jerry Cantrells Album: Schon der Opener „Hollow“ stampft mit seinem keulenschwänziger Euoplocephalus von einem Riff dermaßen, dass sich noch zehn Kilometer weiter das Wasser auf den Pfützen kräuselt.
Doch das ist nur das Vorspiel. Im Stück, welches dem Nachfolger der 2009er
Comeback-Platte „Black Gives Way To Blue“ seinen Namen gab, lässt Cantrell
gleich einem zyklopischen Schöpfergott, der mit seinem Instrument Raum und Zeit
beherscht, eine prähistorische Welt wiedererstehen: gewaltige Triceratopses
krachen ihre mächtigen Nackenschilde aufeinander, gigantische schwanenhalsige
Brontosaurier durchmessen donnernden Schrittes dieses urzeitliche Reich, über
dem mächtige Flugechsen ihre endlosen Kreise ziehen, und schlagen mit ihrem
hohlen Gebrüll selbst den furchterregenden T-Rex in die Flucht. Kolossal, was
der Mann aus seiner Gitarre herausholt!
Doch AIC können nicht nur Jura sondern auch Subatlantikum,
also Erdneuzeit: „Scalpel“ ist eine leicht Beatles-verliebte Halbballade, wie
sie auch The Velvet Underground & Nico hätten bringen können. Aber die
Echse schlägt unmittelbar zurück, „Phantom Limb“ ist purer archaischer
Teergruben-Metal. „Hung On A Hook“ danach klingt ein wenig als würden Trouble
„Down In A Hole“ spielen.
„The Devil Put Dinosaurs Here“ ist AICs „Mob
Rules“. Vielleicht nicht ganz so stark wie der Vorgänger, aber echt urig
und teuflisch gut!
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