Schwarzer Blazer, schwarzes Hemd, schwarze Jeans; Sebastian Emlings einzige Konzession an das strahlende Sommerwetter ist die schwarze Sonnenbrille. Doch dunkle Augengläser trägt der sinistre Sänger dem guten Beispiel von Corey Hart („Sunglasses at Night“) folgend vermutlich auch bei Nacht. Nicht nur, wenn er am helllichten Samstagmittag mit seiner Band Shy Guy At The Show (SGATS) beim Karlsruher Open-Air-Spektakel «Das Fest» auf der Bühne steht und mit Grabesstimme gegen die brüllende Hitze ansingt.
Während die
Besucher des Musikfestivals in der Parklandschaft der Günther-Klotz-Anlage jedes
Fleckchen Schatten ausnutzen, um sich ein wenig Kühlung zu verschaffen, verbreiten
die Karlsruher Gothic-Poeten auf der Feldbühne ungerührt eiskalte
Gruft-Atmosphäre.
Wie sich dabei
neue Wave-Hymnen vom aktuellen selbstbetitelten Album wie „Smash Your Love“ oder
„Tears Of Ice“ und Klassiker wie „Paris in Flames“ oder „Close“
aneinanderreihen – so nahtlos wie das schwarze Zyklopmauerwerk einer namenlosen
Kultstätte einer vor Äonen untergegangenen extraterrestrischen Zivilisation am
Südpol – ist ein weiterer Beweis für diese von deutschen Festival-Bookern zu
Unrecht sträflich missachteten Band.
Das
Geheimnis, warum sie SGATS hier zur Kaffeezeit auf die Bühne geschickt haben,
werden die Veranstalter wohl mit ins Grab nehmen. Denn von letzter Ruhe ist beim
Publikum trotz der frühen Stunde keine Spur – anders als während den
Performanzen der später spielenden Bands: Alt und Jung zelebrieren fröhlich den
Danse macabre um eine frisches Nass spendende Sprinkleranlage.
Überhaupt
kann man den „Fest“-Machern für die Programmgestaltung kein makelloses Zeugnis
ausstellen: Viele murrten über die „deutsche Welle“. Und tatsächlich rissen
nicht alle einheimischen Acts das Publikum von der Grasnarbe: Die Münchner
Spaßfußballer Sportfreunde Stiller, Liedermacher Bosse mit seinem freundlich
belanglosen WG-Pop und Reggae-Star Gentleman verbreiteten – Langeweile. Aus der
Riege der angereisten ach so hochgelobten deutschen Pop-Bundesligaspieler
setzten lediglich Seeed ein unumstrittenes Glanzlicht.
Wem der
ganze Trubel sowieso zuwider war, der hatte die Chance, sich SGATS am
Samstagabend gleich noch einmal anzusehen. Diesmal auf dem Freigelände der Rheinschänke
unweit der Fähre beim idyllischen Ursprungsort der Band, Leimersheim. Diesmal
sorgten ein roter Vollmond und flackernde Fackeln für das richtige Ambiente –
von den zahllosen Mücken, die den (licht)scheuen Jungs unpassender Weise statt
Fledermäuse um die Köpfe kreisten einmal abgesehen. Egal, als Emling nach über
zwei Stunden Spielzeit die völlig aufgelösten SGATS-Fans mit einem markerschütternden
„Rebel Yell“ in die laue Sommernacht verabschiedete, hatten SGATS nicht nur die
mittägliche Hitzeschlacht vergessen gemacht, sondern sogar die Schnaken besiegt.
More, more, more!
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