Donnerstag, 12. September 2013

„Ich habe verdammt viel Übung darin, in ein Mikrofon zu brüllen!“ - Der britische Folk-Messias Frank Turner ist beseelt von der Urkraft des Punk


Foto: Promo
Frank Turner glaubt nicht an Gott! Er glaubt an die Kraft des Rock´n´Roll. Und jeder, der diese Musik liebt, sollte an Frank Turner glauben. Der Mann aus dem südenglischen Winchster spielt unverblümten Folk-Rock. So mitreißend und rüde geht er dabei zu Werke, man fühlt sich glatt aufs Newport Folk Festival des Jahres 1965 zurückversetzt, als Bob Dylan das erste Mal seine Gitarre in einen Verstärker einstöpselte. Im Frühjahr eroberte er mit seinem Album  „Tape Deck Heart“ die Herzen vom Kritikern und Fans, jetzt geht er auf  Deutschlandtour.
Der Titel war nicht bloß romantische Reminiszenz an die 90-Minuten-Kassette, wie man sie noch Anfang der 90er Jahre für liebe Menschen bespielte. Jene Zeit war prägend für den musikalischen Schaltplan des heute 31-Jährigen, der ihn als festverdrahteten Analogiker ausweist. Im zarten Alter von zehn sah der im Inselkönigreich Bahrain geborene Sohn eines Investmentbankers und einer Schuldirektorin bei einem Schulfreund ein Iron Maiden-Poster an der Wand hängen. „Es war das Motiv von ‚Stranger In A Strange Land‘, dieser Zombie-Cowboy in der Zukunft“, berichtet der freundlich beredte Turner, Begeisterung in der Stimme. „Ich hatte natürlich keine Ahnung, was das ist, aber ich fand das Bild großartig!“
Sobald jung Frank in Erfahrung gebracht hatte, dass es sich bei seiner Neuentdeckung um das Plattencover eine Heavy Metal-Band handelte, waren die Weichen für seine Berufswahl gestellt. „Ich zog los und kaufte mir das ‚Killers‘-Album von Maiden. Seitdem wollte ich nichts anderes mehr machen, als Musik spielen.“
Da Turner sein Songschreiber-Handwerk ohrenscheinlich eher an The Clash und Fairport Convention schulte, kann diese musikalische Epiphanie schon überraschen. „Meine Musikerziehung verlief in umgekehrter Reihenfolge“, erzählt er. Außer für Maiden begeisterte  sich Turner, der mit Bleistiftbart und dunklen Locken mehr wie ein italienischer Fußballer denn ein englischer Troubadour aussieht, früh für instrumentelle Splitterholz-Enthusiasten wie Metallica oder Pantera. Dank der schrillen Stirnband-Rocker Guns´N´Roses und deren schwermütigen Henker Nirvana, fand er schließlich zum Punk, „Descendents, Black Flag und all so was“.
Logische Konsequenz: ein Engagement bei der Hardcore-Combo Million Dead, mit der er zwischen 2001 und 2005 zwei Alben einhämmerte. Für Turner, der nebenher am noblen Eton College und der London School of Economics (Mick Jagger lernte hier sein Geld zählen) ein Geschichtsstudium absolvierte, eine lehrreiche Zeit: „In Punk-Bands habe ich Spielen gelernt.“ Diese Urkraft steckt noch heute in ihm: „Jeder Soundmann sagt, ich sänge verdammt laut. Ich habe einfach sehr viel Übung darin, in ein Mikrofon zu brüllen.“
Heute läuft bei Turner alles ein wenig kontrollierter, im Vergleich zu den Zeiten, als er durch Glasscherben-übersäte Punkrockschuppen tingelte, statt sich in ausverkauften Konzerthallen feiern zu lassen. Nach dem Ende von Million Dead schnappte er sich eine Akustikgitarre, studierte die Songs von Bob Dylan, Neil Young sowie Bruce Springsteen und zog aus, um sich vom wütenden Anarcho zum von Fans und Kritikern gleichermaßen bewunderten Entertainer zu mausern.
Für Frank Turner kein Bruch, sondern ein natürlicher Prozess. „Je besser ich zu singen und zu spielen lernte, desto mehr Wege, mich auszudrücken, fand ich, die darüber hinausgingen, mir das Hemd vom Leib zu reißen und herumzuschreien.“
Trotz der Provenienz seiner Vorbilder ist sein Sound weder amerikanisch, noch glatt. Turner und seine Begleitband, die Sleeping Souls, sind so unverkennbar britisch, wie Monty Python’s Flying Circus, Tweed-Stoff oder Black Pudding. „Wenn man Bruce Springsteen spielen hört, wird man schnell feststellen, dass er aus New Jersey kommt“, erläutert Turner. „Dennoch singt er nicht nur über New Jersey, sondern über Heimat. Sich von Springsteen beeinflussen zu lassen, kann bedeuten, ihn zu kopieren oder eben dieses Ethos zu nehmen, das er verkörpert, und darüber zu singen, woher man selbst kommt.“
Woher er kommt und vor allem woran er glaubt, daran lassen Frank Turners von infektiösen Hooklines befallene Lieder keinen Zweifel. Zeilen wie “I still believe in the need/ For guitars and drums and desperate poetry” zeugen gleichermaßen von Witz und Grandezza, wie man sie heute nur selten findet. Und so verkommt der lustige Messias Turner, der nahezu ohne weltlichen Besitz – von einer tausende Stücke umfassenden Plattensammlung abgesehen – im Haus eines Freundes lebt, sofern er nicht gerade auf Tour ist, trotz seines gelegentlichen Hanges zur übergroßen Geste nie zur Karikatur. Nicht einmal wenn er singt,”There is no God, so clap your hands together“. Im Gegenteil, seine Worte befeuern den Glauben des Hörers neu. Amen!
Dates:



Thu, 12 Sep, 2013, Munich, Backstage Werk
Sat, 14 Sep, Lindau, Club Vaudeville
Sun, 15 Sep, Graz, Kasematten
Mon, 16 Sep, Vienna, Arena
Tue, 17 Sep, Lausanne, Les Docks
Thu, 19 Sep, Stuttgart,  Longhorn
Fri, 20 Sep,Cologne, E-Werk

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