Dienstag, 13. August 2013

Soul unterm Storchennest - The Bellrays live in der Alten Hackerei

 
Bilder: Minea Linke

Auf den ersten Blick hat Lord Bishop mehr mit einem Hinkelstein gemein, als mit einem Musiker. Auf den zweiten Blick auch. Ein Hinkelstein allerdings, der sich in die Arbeitskleidung eines schwarzen Zuhälters aus dem Harlem der frühen 70er Jahre gezwängt hat. Der (grob geschätzt) zwei auf vier Meter Mann hat die Eisenfresserphysiognomie eines Michael Clarke Duncan ("The Green Mile", "Daredevil"): Die Gitarre baumelt um seinen Hals wie Ping Pong-Schläger, der ausladende Cowboy-Hut sitzt dem Hühnen so knapp auf dem rasierten Schädel, wie die koketten Party-Kopfbedeckungen, die auf besonders ausgelassenen Sylvester-Parties üblich sind. Musikalisch ist das Trio des lebenslustigen Bischofs, der aus einer riesigen Pulle Whiskey ans Publikum in der an diesem Freitag voll besetzten Alten Hackerei auf dem ehemaligen Schlachthofgelände ausschänkt, mit seiner Fusion aus Heavy Rock und Funk-Elementen zwar weniger eindrücklich als visuell. Aber für das, was noch kommen sollte, genau die richtige Einstimmung.
Lisa Kekaula und ihre Band The Bellrays tun das, was Whitney Houston schon immer hätte tun sollen, statt ihr Leben mit Pop zu vergeuden, und was Iggy Pop tat, als er “Lust For Live”, “You Can’t Hurry Love” von den Supremes nachempfand: Weißen Rock mit schwarzem Soul verbinden. Denn was Kekaula, die nicht nur bei den wiedererstandenen MC5 als Backgroundsängerin gewirkt, sondern von Rob Tyner auch die ausladende Afro-Frise hat, unter dem Motto, "wo ich bin, ist Freitagnacht", auffahren, ist nichts weniger, als der Beweis, dass R´n´B nicht nur nicht tot ist, ja nichteinmal komisch riecht, sondern vielmehr nach "Vera Wang Princess" duftet.



Bob Vennums schrummelnde Gitarren, bis zur unkenntlichkeit verzerrter Bass und Hals-über-Kopf-On-beat-Schlagzeug. Dazu diese unwiderstehliche, irgendwo zwischen Billie Holiday und der jungen, im Netzhemd "I' ve Been Loving You Too Long" singenden Tina Turner angesiedelte Stimme, mit der die Storchennest-köpfige Kekaula wie ein ganzer zugecrackter Gospelchor, der von lauter danteschen Teufelskreaturen mit glühenden Zangen traktiert wird, schreit, predigt, mahnt, maßregelt, trauert, tobt, leidet, scherzt, jubelt und, ja auch das, singt. Da fühlt sich mancher bemüßigt, seid der Jugend vergessene Tanzmoves und bluesbrüderliche Beinarbeit wieder ins Bewegungsrepertoire aufzunehmen. Da möchte man wie Mick Jagger die Maracas schwenken und dem Teufel sein Mitgefühl aussprechen, die Fesseln der Zivilisation abwerfen und sein Leben in einer evolutionären Abwärtsspirale wegwerfen. !

Die Temperatur steigt, die Barmädels kommen mit dem Bierkistenschleppen kaum noch nach. Zwar bewegt sich die um die Hüften etwas füllige Kekaula langsam, ja träge, über die Bühne, wie ein Everglades-Aligator bei kühlem Wetter, trotzdem muss man sich fragen, ob es unter diesen Haaren eigentlich noch wärmer ist, als hier im Raum, oder sie vielleicht über eine versteckte ventilierende Eigenschaften verfügen. Sollte es so sein, man hätte gerne auch so ein gekringeltes Kühlsystem. Dann könnte es noch ewig so weiter gehen. Yeah, baby, yeah, don´t stop now! Don´t even think about it!


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