Donnerstag, 31. Oktober 2013
Eines langsamen Todes sollt ihr sterben! - Avatarium, das neue Projekt von Candlemass-Mastermind Leif Edling
Einen weithin sichtbaren Warnhinweis müsste das
Premierenalbum von Avatarium (Nuclear Blast/Warner, VÖ: 1.11.) eigentlich tragen. Ähnlich den berüchtigten
„Parental Advisory—Explicit Content“-Aufklebern, mit denen Plattenfirmen in den USA Veröffentlichungen mit anstößigen Inhalten
kennzeichnen. „Hörer, lege mich auf und Du sollst eines langsamen Todes sterben!“,
sollte in schwarz-weißem Schriftdesign darauf zu lesen sein. Denn Leif Edling,
der hier die kreativen Fäden spinnt, ist einer der letzten Großmeister des nekromantischen
Musizierens. Seit Mitte der 80er pflegt der schwedische Bassist und
Songschreiber mit seiner Band Candlemass
einen auf den zyklopischen Fundamenten von Black Sabbath errichteten,
basaltischen Monumental-Metal, der ihm den Status eines pater ecclesiae des Epic-Doom-Genres eingebracht hat. Mit seiner Hauptband will
Edling keine Platten mehr aufnehmen, weil sich das finanziell angeblich nicht
mehr lohnt oder er der immer wieder auftretenden personellen Querelen
überdrüssig ist (Einen adäquaten Ersatz für den genialen, stets in Mönchskutte
gewandeten, aber menschlich schwierigen Messiah Marcolin zu finden, haben
Candlemass nie vermocht). Kreativ betätigen will sich Edling offenbar aber
weiterhin. So hat er mit ein paar erfahrenen Landsleuten wie dem Gitarristen
Marcus Jidell (Royal Hunt, Evergrey), dem Tiamat-Schlagzeuger Lars Sköld und
seinem alten Weggefährten Carl Westholm, der auch schon bei Edlings Stammband
Keyboards beisteuerte, zusammengetan. Das Avatarium nicht gerade in
Richtung Speed Metal tendieren, versteht sich dabei von selbst. Das es
stilistische Parallelen zu Candlemass gibt, ebenso. Den Hauptunterschied macht Sängerin Jennie-Ann
Smith. Als eine Art Schwarzelbenversion von Kylie Minogue verleiht sie dem
Material eine unglaubliche Dramatik. Ohne je in den kitschigen Operetten-Metal
von Nightwish und Konsorten abzugleiten. Schon der Opener „Moonhorse“ kriecht
wie ein düsterer (!) Bastard aus „Sabbath Bloody Sabbath“, „Stargazer” und
„Where The Wild Roses Grow” aus den Lautsprechern. Gegen das pechschwarze,
leicht psychedelisch eingenebelte „Boneflower“, nehmen sich selbst die
Teufelsanbeter von The Devil´s Blood wie eine kindische Hexenbrett-Spielerei aus.
Der Rausschmeißer „Lady In The Lamp“ ist fast so episch wie ein Rainbow-Konzert
auf dem Caradhras in Tolkiens mythischem Nebelgebirge. Ohne Zweifel das erhabenste
Edling-Werk seit dem 2007er Comeback-Album „King Of The Grey Islands“ – wenn
nicht seit „Tales Of Creation“, dem letzten Element der heiligen Dreialbenheit
des orthodoxen Candlemassianismus der 80er.
Freitag, 25. Oktober 2013
Bergmann Leslie West haut Soloalbum „Still Climbing“ raus
Einen Berg wirft so schnell nichts um. Ex-Mountain Mann
Leslie West ebenso wenig. 2011 verlor der heute 68-Jährige ein Bein an die
Diabetes, kämpfte gegen Blasenkrebs und überwand eine langjährige
Methadonabhängigkeit. Dessen ungeachtet liefert der Sänger und Gitarrist auf
seinem neuen Album „Still Climbing“
(Provogue/Mascot) handfesten – um nicht zu sagen, standfesten – Bluesrock
gleich tonnenweise. Mit „Dying Since The Day I Was Born“ gibt es gleich zum
Auftakt einen Stampfer im „Mississippi Queen“-Großformat: Kolben treibende
Dampfkessel-Gitarren und eine Stimme so rauchig wie ein Ruß verkrusteter
Schlot. Als ob er es nicht allein könnte, holt sich West für „Busted, Disgusted
Or Dead“ Johnny Winter an Bord, der diesem grantigen Altherren Unpässlichkeits-Blues
mit fiebrigen Slides noch friedloser klingen lässt. „Fade In To You“ ist eine
unter Starkstrom gesetzte Akustik-Ballade, bei der sich die Nackenhaare
aufstellen. Sogar eine Tritt-ins-Hinterteil-Version von Nina Simones
Soul-Klassiker „Feeling Good“ mit Twisted Sister-Schreihals Dee Snider als
Co-Sänger verströmt nicht als Klasse! „Hatfield Or McCoy“ staubrockt so trocken wie die Fürze von
ZZ-Tops Billy Gibbons. Nicht einmal ein Heuler wie „When A Man Loves A Woman“
wirkt peinlich. Zwar geht Leslie West im letzten Viertel des Aufstiegs beim
Klettern ein ganz klein wenig die Puste aus. Trotzdem: Fans felsenharten Rocks
können, ja sollten bedenkenlos zugreifen.
Foto: Promo |
Donnerstag, 24. Oktober 2013
Spinnweben in den Ohren - IMR waven im Substage Karlsruhe
Der vergangene Freitagabend begann mit einem Rückschlag: Shy Guy At The Show sagten ihren Auftritt im Substage ab. Gitarrist David Emmling sei von
einer so hinterhältigen Grippe niedergestreckt worden, dass es ihm unmöglich
sei, zu spielen, verkündeten die grandiosen Karlsruher No Wave-Schöngeister auf
ihrer Internetzseite. Dementsprechend blieben die SGATS-Fans offenbar gleich
ganz zu Hause, so dass die anderen Bands auf dem Billing vor recht magerer
Kulisse spielen mussten. Ein Fehler, denn insbesondere der Synth-Dark-Pop von I.M.R. hätte auch bei den Anhängern der Scheuen Jungs Anklang gefunden.
Den Anfang machten Runway Lights mit leicht abgedunkelten
Indie-Rock. Richtig Nacht wird es dann bei I.M.R.: Das Quartett aus Karlsruhe,
das ohne Schlagzeuger antritt, verbreitet mit seinen Keyboards und Synthesizern
derart authentisches 80er Flair – bis hin zu den unverfälschten
Krähennester-Frisuren –, dass einem vom bloßen Zuhören die Spinnweben aus den
Ohren wachsen. Soft Cell, Depeche Mode, D.A.F. und Talking Heads geben sich die
Kirchhoftürklinke in die kalte bleiche Hand, so dass man sich gar nicht
entscheiden mag zwischen drei Schritte Totengräber-Tanz und Leichenstarre. Da
möchte man glatt auf dem nächstgelegenen Friedhof die Grüfte öffnen und schöne
Tote küssen. Schließlich kommt im Saal,
der fast so leer ist wie eine spiegelwand beim Tanz der Vampire, sogar so etwas
wie Stimmung aufkommt. Eine beachtliche Leistung!
Das einzige was zwischen den seit den frühen 90er Jahren
aktiven I.M.R. und einer Weltkarriere steht, ist der Umstand, dass die Musiker
keine 17-jährigen Mädchen sind. Aber mit viel harter Arbeit lässt sich das
binnen der nächsten 20 Jahre Bandgeschichte vielleicht noch ändern.
Dienstag, 22. Oktober 2013
Die beste existierende Band? - Truckfighters in der Alten Hackerei
Foto: Promo |
Zu sagen, die Musik der Truckfighters sei zu eintönig, wäre zwar genauso widersinnig, wie selbiges vom Blues zu behaupten. Schließlich beziehen die Exponenten beider Stile ihre Energie zu einem guten Teil aus der Kraft der Repetition. Andererseits ist es ja gerade die Kunst, innerhalb eng gefasster musikalischer Grenzen Spannungslosigkeit zu vermeiden.
Dazu stehen zwei Strategien zur Verfügung: Entweder man überwältigt den Hörer mit purer Dringlichkeit, wie es Hohepriester des Minimalismus wie Howling Wolf oder Saint Vitus vermochten oder man fesselt durch detailverliebte Vielschichtigkeit, worin es eingangs erwähnte Könige der CinemaScope-Fuzzorama, Kyuss, zu bisher unerreichter Meisterschaft brachten.
Die Truckfighters verfolgen weder die eine noch die andere Strategie. Ozo (Bass/Gesang), Dango (Gitarre) und Poncho (Die Formation aus Örebro scheint hispanophil zu sein. Die Liste der Ex-Mitglieder liest sich Fredo, Paco, Franco, Frongo, Pedro und Pezo) rocken engagiert. Dango präsentiert sich als flummieske Kreuzung zwischen Floyd Pepper, dem Bassmann der Electric Mayhem Band in der Muppet Show und Keith Moon. Und Ozo schafft es in seinen besten Momenten an die laszive Lässigkeit eines Jim Morisson anzuknüpfen. Nennenswerte Durchschlagskraft vermögen die Schweden jedoch nicht zu entwickeln. Zwar lassen die Brummikämpfer schon das ein oder andere Powerriff aus dem Tank, allzu oft büßen sie aber wieder an Drehmoment ein, indem sie Abschnittsweise versuchen, sich abseits ausgefahrener Spurrillen zu bewegen. Während der ellenlangen, wahlweise jazzigen oder funkigen Jams hat man unentwegt das Gefühl, der Groove-Tiger setze zwar immer wieder zum Sprung an, bekomme aber die Tatzen doch nicht recht hoch. Das schmälert die Emphase, gleichzeitig sind der Komplexität im Trioformat Grenzen gesetzt.
Mithin sind die Truckfighters beileibe keine schlechte Band, aber zur besten aller Zeiten müssen sie erst noch reifen.
Donnerstag, 17. Oktober 2013
Alte Wölfe heulen gut - Motörhead "Aftershock"
Was
die kompromisslose Haltung zur Musik und zum Leben allgemein angeht, sind
Motörhead sakrosankt. Das wird kein vernünftiger Mensch zu bestreiten wagen!
Dass Lemmy Kilmister in den vergangenen 38 Jahren kein wirklich schlechtes Album
abgeliefert hat, ebenso wenig. Eine ehrliche Bestandsaufnahme am Plattenschrank
mit vollständigem Motörhead-Backkatalog bringt allerdings das
Selbsteingeständnis: Das jüngste Machwerk von Stoke on Trents Antwort auf Chuck
Berry, das über die Jahre öfter mal wieder aufgelegt wurde, heißt „Overnight
Sensation“. Zwar war da bei Lemmy auf dem Cover erschreckenderweise der Bart ab, die Scheibe selbst rockt aber
überaus beschwingt, ist kompositorisch hochklassig und darüber hinaus für
Motörhead-Verhältnisse nahezu progressiv – dank der Akustikgitarren. Allerdings
datiert sie von 1996. Der letzte vollwertige Klassiker der Band, das brachial
geniale und dennoch super abwechslungsreiche „Bastards“, hat gar noch drei
Jahre mehr auf dem Buckel.
Seitdem
und besonders währen der Nullerjahre wurden dann durchschnittliche Rocker
gleich dutzendweise produziert, die zwar über alle essentiellen Markenzeichen verfügten
(heiser herausgebellter Gesang, punkige Gitarren, galoppierende Drums), aber
deren Wiedererkennungswert oft doch arg
zu wünschen übrig ließ. Gitarrist Phil Campbell vermittelte zunehmend den Eindruck,
Lemmys zu Beginn eines jeden Konzerts gebetsmühlenartig widerholte Ansage, „we
are Motörhead and we play Rock´n´Roll“, zur bloßen Phrase zerschreddern zu
wollen. Den letzten noch verbliebenen Rest anarchischer Unwucht pflegte dann
Mikkey Dee mit exzessivem Mike Tyson-Drumming gerade zu klopfen.
Vor
den Sessions für „Aftershock“ (VÖ 18.10. via Motörhead Music) scheinen sich
Motörhead nun mal wieder ihre (maßlos unterschätzten) Erzeugnisse der wüst polternden
Mittachziger-Ära von „Another Perfect Day“ bis „Rock´n´Roll“ vorgenommen zu
haben. Wenn ja, gut so! Denn jedenfalls greift das Trio auf Studioalbum Nummer
21 statt der groben Axt wenn schon nicht zum Florett, dann doch wenigstens zum
Säbel, um dem geneigten Motörheadbanger ordentlich den Scheitel nachzuziehen.
Durchweg kratzen die vierzehn Stücke im Schnitt gerade so an der Drei-Minuten-Grenze. „Coup De Grace“
scharrt so nervös mit den Füßen als sei es in derselben vom Amphetamin gehetzten
Nacht geschrieben worden wie einst „Shine“. Der „Lost Woman Blues“ ist die nach
34 Jahren Anschaffen in einer Shanghaier Hafenbar wieder nach Hause
zurückgekehrte Zwillingsschwester von „Limb from Limb“. Und „End of Time“
klingt gar wie eine lange in der Garage vergessene und nun wiederaufgemöbelte
Version von „Ridin'
with the Driver“. So geht es fort.
Dennoch
erstarren Motörhead keineswegs in der (gewollten?) Selbstreferenz. Die Tücke
steckt im Detail. Ein gelungenes Bassbubenstück hier („Death Machine“) ,eine
waghalsige Schlagzeugschurkerei dort,
das eine oder andere niederträchtige Break („Going to Mexico“) und gelegentlich
ein beiläufig begangenes Gitarrendelikt sorgen für andauernde Verletzung der Bewährungsauflagen. Sollte „Aftershock“ Lemmys
letztes Gefecht sein, was aufgrund der diversen Zipperlein, die den alten Wolf
in jüngerer Vergangenheit plagten, kein Ding der Unmöglichkeit ist, hat er hier
nochmal ein prima Kampfgeheul geliefert.
"Hey Phil, wann kommt endlich dieser verdammte Bus?" - Motörhead 2013 Foto: Promo |
Donnerstag, 10. Oktober 2013
Endlich raus aus der Flaute - Running Wild
Das Phänomen der monothematischen Image-Band ist von je her
kein unumstrittenes. So sehen sich deren Protagonisten stets dem Verdacht
mangelnder musikalischer Ernsthaftigkeit, unlauterer Absichten oder bloßer
Albernheit ausgesetzt. Das ist verständlich, denn woher soll der Fan
schließlich wissen, ob sich unter Dämonen-Makeup, Piratenwams oder Monstermaske
wirklich Rocker von echtem Schrot und Korn verbergen oder irgendwelche
Milchbubis, die mit solchem Mummenschanz nur den Szenespirit unterlaufen
wollen? Andererseits wird niemand den Unterhaltungswert der Liveshows von
schrägen Vögeln wie Portal, Ghost, Knights Of The New Crusade, Powerwolf, Gwar
oder Schwergewichten wie Slipknot oder gar Kiss bestreiten wollen (Ok,
Ausreißer nach unten wie etwa Manowar gibt´s auch hier). Aber am Ende des Tages
kommt es eben doch immer wieder auf die Musik an.
Und die ist auf „Resilent“(SPV), dem neuen Album der Piratentruppe
Running Wild gar nicht schlecht. Nachdem
die Erzeugnisse der Hamburger Freibeuter-Werft seit der Jahrtausendwende bei
Fans und Kritikern samt und sonders ziemlich abgesoffen sind, segelt
Starkstrom-Störtebeker Rock´n´Rolf endlich wieder mit vollen Segeln. Zwar
scheint Käpt´n Kasparek nach den diversen Soundsünden der Vergangenheit von
seinem Kreuzzug – oder sollte man sagen, seiner Kreuzfahrt? – zu beweisen, dass
Metal auch mit Drum Computer möglich ist – noch immer nicht lassen zu wollen,
doch im Großen und Ganzen hat er sich endlich wieder auf alte Seemanstugenden
besonnen: Straight und schmatzend riffender, schnörkelloser Teutonen Metal im
Stile von Accept und, ähem, Running Wild („Soldiers Of Fortune“, „Adventure
Highway”, “Down To The Wire”) wechselt mit
prächtig piratigen Nummern wie “The Drift“ oder „Bloody Island“. Dazu lässt
sich prächtig das Holzbein schwingen und der Enterhaken auf dem Armstumpf gen
sturmbewölkten Himmel recken. Ship Ahoi, Mannequins, Fire!
Mittwoch, 9. Oktober 2013
Ein guter Schluck zur Blauen Stunde - Spiralarms verschneiden das Beste aus Stoner- und Retrorock
„Der Inbegriff einer rassigen Rockgruppe“, die „ein wahres
Feuerwerk an fabelhaften Rocksongs“ entfache, die „jeden Muskel im Körper zum
Zucken bringen“. Beim Anpreisen von „Freedom“ (Steamhammer), dem
zweiten Album von Spiralarms, ergeht sich die Plattenfirma förmlich in
Lobeshymnen. Tatsächlich füllt das US-Sextett
auch nur alten Wein in neue Schläuche: Die Straßenrocker-Wucht von
Orange Goblin, die Hammond-getriebene Retro-Note der Spiritual Beggars, die
repetitiv-hypnotische Kraft von Kyuss und den düster melodischen Hardrock-Fuzz aus
dem Alice In Chains-Backkatalog – allein die langen Jahre, die Gitarrist Craig
Locicero bei den Thrashmetallern Forbidden zubrachte, finden hier keinen
stilistischen Widerhall.
Fotos (2): Promo |
Man könnte die eingangs zitierten Sätze also als die
übliche werbliche Bramarbasiererei abtun, legten die schlagbehosten Nordkalifornier
bei der Zusammenstellung ihrer musikalischen Cuvée nicht eine solche Raffinesse
an den Tag. Schon der Eröffnungssong „Dropping Like Flies“ schiebt sich in den
Gehörgang wie ein Großbohrgerät aus dem Tunnelbau. „Hold Me To The Sky“ wäre
auch auf einem der ersten vier Black Sabbath-Alben nicht weiter (negativ)
aufgefallen. „Exit 63“ führt direkt in Wüste im Hinterland von LA, wo früher
nächtens QOTSA-Mann Josh Homme und Konsorten ihr Unwesen trieben. Und „I Lay
Low“, eine gelungene Verbeugung Richtung Südstaaten zum Schluss, gemahnt gar an Lynyrd Skynyrds Hymne an die
Schlichtheit, „Simple Man”. Alter Wein, ja, aber als gepflegter Schluck zur
Blauen Stunde, genau das richtige.
Sonntag, 6. Oktober 2013
Tee mit Rum für Dunkelelben - Pyhä Kuolema veröffentlichen Kevättuulisormi
Neo-Folk mit finnischen Texten? "Verdammt, wer braucht denn so
was?", denkt sich der von so mancher belanglosen Tonträgerveröffentlichung
ohnehin schon zur Genüge drangsalierte Rezensent. Zu Unrecht! Denn Suomi-Barde Mikko Pöyhönen ,der unter dem Banner "Pyhä Kuolema" (was laut Info „Heiliger Tod“ bedeutet) soeben
sein Zweitwerk "Kevättuulisormi", "Frühlingswindfinger" (Svart Records)
vorgelegt hat, erinnert in seiner unergründlichen Emotionalität stark an den allzu
früh verstorbenen Meister des düster
wehmütigen Liedermachens, Nick Drake. Oder die pechschwarze Americana eines
Townes Van Zandt. Noch verstärkt wird dieser Effekt von der dunkelelbischen
Poesie der für mitteleuropäische Ohren so fremdartig klingenden Sprache.
Umspielt wird Pöyhönens sonore, nach dunklem Herbstwald und windzerzaustem
nassem Gras auf uralten Grabhügeln klingende Stimme meist in spartanischer
Instrumentierung: Ein, zwei Gitarren, selten rudimentäre Percussion wie Rasseln
oder eine einsame Bassdrum. Pyhä Kuolema ains anrührend, geheimnisvoll und dabei völlig klischeefrei . Wer noch den ultimativen
Soundtrack für die kommende
Im-Rentierpulli-auf-dem-Sofa-Tee-mit-Rum-trinken-Saison sucht, hier ist er.
Foto: Promo |
Dienstag, 1. Oktober 2013
Newcomer-Bands machen immer dieseleben Fehler - Eine kleine Rock-Fibel für heranwachsende Musiker
Eddie bist Du´s? - Adoney hauchen dem Grunge-Rock neues Leben ein. Foto: Promo |
Am vergangenen Samstag startete das Karlsruher New Bands-Festival im
Kulturzentrum Tempel in die Saison 2013/14. Auf die Siegerband wartet – neben
vielen anderen Preisen – ein Slot zu bester Sendezeit auf der Hauptbühne von
„Das Fest“. Klar ist aber auch, dass es sich beim „New Bands“ um einen
Wettbewerb handelt und es daher Manche nie auf die Bühne gegenüber der
beeindruckenden Kulisse des „Mount-Klotz“ schaffen werden. Oft, so lehrt die
langjährige Erfahrung als Jurors, sind daran die ewig gleichen Fehler schuld,
die unerfahrene Bands in den Vorrunden machen. Daher hier – zum Auswendiglernen
– die kleine Rockfibel für den heranwachsenden Musiker:
1) Enthalte dich Publikumsanimationen (Aufforderung zum Mitklatschen) und
Mitsingspielen (und jetzt alle: ouuhaaahuahu), die Du dir im Fernsehen oder bei
Konzerten deiner Vorbilder abgeschaut hast. Das geht mangels Beteiligung der
Zuhörer meistens kläglich in die Hose und wirkt dann einfach nur peinlich.
Später, wenn Du in den großen Hallen und Stadien auftrittst, wirst Du für
solche Kapriolen noch reichlich Gelegenheit haben.
2) Versuche nicht, möglichst viele Stile abzudecken.
Crossoverhiphopfunkdeathjazzpunk will niemand hören (und selbst wenn, Du kannst
es nicht spielen, weil Du nicht dieselben Mitmusiker zur Verfügung hast wie zum
Beispiel Frank Zappa). In ihrer raren Freizeit gehen Leute bevorzugt zu
Veranstaltungen, auf denen ihre Lieblingsstilrichtung gespielt wird. Meistens
ist das entweder Pop ODER Metal, selten alles wild durcheinander gewürfelt.
3) Die Langeweile ist dein Freund! Spiele daher NIE deine neuesten Songs.
Denn logischerweise kannst Du neues Material nicht so gut meistern, wie Lieder,
die Du schon oft geprobt und auf der Bühne gespielt hast. Bloß weil Du es
eintönig findest, an zehn Abenden hintereinander dieselbe Setlist
runterzuspielen, ist es für das Publikum noch lange nicht langweilig. Es sieht
deine Show im Zweifel zum ersten Mal. Am besten greifst Du auf daher Songs
zurück, die bei vorangegangenen Auftritten schon mal Anklang gefunden haben. Je
weniger Du dich auf dein Spiel konzentrieren musst, desto souveräner wirkst Du
auf der Bühne. Keine professionelle Band wird je einen Titel aufführen, den sie
erst am Tag zuvor fertiggestellt hat. Außerdem ist der jüngste Song nicht immer
automatisch der beste, auch wenn jeder Musiker das natürlich glauben will.
4) Spiele niemals ein Solo, wenn du dazu technisch nicht wirklich in der Lage
bist. Viele Musiker haben es auch ohne Virtuosität zu Weltruhm gebracht.
5) Rede nicht, spiele. Du hast nur eine halbe Stunde Zeit. Diese solltest
Du nicht mit ausufernden Ansagen oder politischen Stellungnahmen vergeuden. Wie
deine Mitspieler heißen und wie gute Freund ihr seid, interessiert kein
Schwein. Du willst mit deiner Musik überzeugen, also solltest Du
möglichst viele Songs in deinem Set unterbringen.
Doch nun zurück zum eigentlichen Geschehen: Exility fiel die etwas
undankbare Aufgabe zu, als erste Band des Abends anzutreten. (Es hat sich beim
Publikum leider eingebürgert, erst zum Auftritt des eigenen Favoriten zu
erscheinen, was der Grundidee der Veranstaltung entspricht. Es geht ja nicht
nur ums Gewinnen, sondern auch darum, dass Bands die Möglichkeit bekommen, vor
einem größeren Publikum zu spielen.) Ihr Los bewältigten die Metaller aus der
Pfalz, die schon im vergangenen Jahr teilnahmen, aber mit Bravour.
Spieltechnisch rumpelt es bei dem Quintett zwar noch gehörig, aber Einsatzfreude
und die beeindruckende Röhre von Joaqin Mikolayczak stehen auf der Habenseite.
Etwas aparter gingen Psideffct zu Werke: die vier Karlsruher präsentierten
akzentfreien Hardrock – solide und unaufdringlich. Ganz anders Adoney, denen
man in Anbetracht ihrer Performanz das Durchschnittsalter von 17 Jahren schier
nicht abnehmen wollte. Trotz vieler Referenzen an Bands der frühen 90er wie
Soundgarden, Alice in Chains oder auch Selig, wirkte der sehr erdige Rock des
Quartetts frisch und dynamisch wie ein neuer Morgen. Hinzu kamen
Instrumentenbeherrschung und Authentizität. Ein ganz heißer Anwärter auf den
Newbands-Thron. Für die Metalcoreler In Plastic kein leichtes Unterfangen hier
nachzulegen. Doch der Fünfer beeindruckte mit hohen Groove-Faktor und einer
brachialen, sauber durchchoreografierten Show – und ließ sich auch von einem
Stromausfall nicht aus dem Konzept bringen. Punch´n Kisses, die extra aus dem
Nordschwarzwald angereist waren, sorgten mit ihrem luftigen aber noch etwas unausgegorenen Folk-Rock für einen
netten Ausklang.
Als Tagessieger lösten Adoney das direkte Ticket fürs Finale im kommenden
Jahr. Psideeffekt und In Plastic sehen sich als Juryzweiter und Publikumssieger
am 21.12. bei der Zwischenrunde im Substage wieder. Die nächsten
Vorrundentermine des New Bands-Festivals sind Samstag, 26.10., Jubez und
23.11., Substage.
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