Sonntag, 6. Dezember 2009

Postrock? Nein Danke! Isis im Substage

Schon mal in einer Band gespielt? Dann ist die Situation bekannt: Man verschanzt sich mit den Kollegen im Übungskeller, stülpt ein paar Pilz, raucht vielleicht ein paar Riesenjogis oder bringt sich sonst wie in Wallung. Dann wird gejamt. Es reiht sich Riff an Riff, der Rhythmussektion gelingen aus dem Nichts die vertracktesten Breaks und Tempowechsel, der Leadgitarrist gerät mehr und mehr in Ekstase und der Sänger überrascht, sich in Verzückung windend, mit nie gehörten, irgendwie geheimnisvoll indianisch anmutenden, Ethnogesängen. Nach gut drei durchgespielten Stunden sinken alle erschöpft aber glücklich aufs durchgesessene Proberaumsofa und fühlen sich wie die Grateful Dead nach ihren sagenumwobenen Konzerten vor den Pyramiden von Gizeh 1978. Das war bestimmt das Beste, was der Teufel seit Robert Johnson Musikern eingegeben hat und zum Glück ist die ganze Zeit das Tape mitgelaufen! Die Ernüchterung folgt nach der Ausnüchterung: Das Tape wird mit versammelter Mannschaft abgehört. In hypnotischen Endlosschleifen quillt fader Soundbrei aus den Boxen. Nach fünfzehnmaliger Wiederholung wird so ziemlich jeder Gitarrenlauf eintönig, der Schlagzeuger zeigt zwar einige vielversprechende Ansätze, die durch ewiges darauf herumreiten aber auch nicht origineller werden, die Keyboardsounds sind bestenfalls skurril zu nennen und der Gesang wirkt vor dem ganzen Tohuwabohu einfach nur noch unstrukturiert. Enttäuschung pur, das Tape wird mit aller Einverständnis gelöscht.
Isis sind offenbar den entgegengesetzten Weg gegangen und haben ihre Proberaum-Jam-Tapes auswendig gelernt. Eine beachtliche Fleißarbeit, die auf Platte ihre Wirkung auch durchaus nicht verfehlt. Live drängt sich, wie am Freitag im Substage zu besichtigen war, allerdings der Verdacht auf, der Hype um die Mannen um Rauschebart Aaron Turner (Vox/Git) entspringe der Neigung mancher Popkritiker, jeden Mangel an Zugänglichkeit zur Kunst, jede verkorkste Schwurbelei zur Originalität und fehlenden Unterhaltungswert zur Tiefsinnigkeit zu erheben. Wenn das Postrock ist, möge Rock nie enden. Bald kommen KISS, Gott sei Dank!

Mittwoch, 2. Dezember 2009

Der Wahnsinn hat ein Gesicht: Knucklebone Oscar

Ich dachte immer für mich gäbe es im Rock N´Roll nichts neues mehr. Doch weit gefehlt, so was wie Knucklebone Oscar letzten Freitag in der Alten Hackerei habe ich noch nie gesehen: Sperrte man eine Horde Affen fünfzehn Jahre in einen abgedunkelten Raum, fütterte sie nur mit Whiskeymaische und Leopardenhoden, beschallte sie Tag und Nacht mit Chuck Berry, Ike Turner & the Kings of Rhythm, Motörhead und den Meteors und gäbe ihnen zum Spielen Musikinstrumente statt Autoreifen in die Pfoten, würde vermutlich ganz was ähnliches dabei herauskommen – und ich verwette meine Cowboystiefelsammlung, dass es genauso war. Jedenfalls ist Knucklebone schon seit mindestens 1993 aktiv, selbst einem – mäßig rasierten – Affen gar nicht unähnlich (laut Bandinfo streitet er das auch keineswegs ab) und seine drei Kollegen wirken ebenfalls nicht gerade Vertrauen erweckend – ich wage mal die Prognose, dass sie diese Band noch in den 80ern geteert und gefedert aus der Stadt gesagt hätten, zumindest in Bayern. Musikalisch bewegt sich das ganze wie angedeutet zwischen 60s-Soul, Garage Punk und Rockabilly - soweit so unspektakulär -, aber was diese Bande finnischer Yetis für´n Feuer im Arsch hat, da wird einen um den Fortbestand der Polkappen Angst und Bang. Vorne auf der Bühne, oder hinten im Publikum, von Barhocker zu Barhocker hüpfend, oder auf dem Tresen thronend, ob mit den Fingern, mit der Zunge, mit dem Hemd, mit dem Arsch oder zugereichten Bierflaschen, Knucklebone ist überall und nirgends und spielt mit allem alles auf der Gitarre - so und nicht anders muss es gewesen sein, als "Acca Dacca" noch die Schwulenclubs von Sidney zum Kochen brachten. Als Vergleich fällt mir da eigentlich nur noch Michael „Olga“ Algar von den Toy Dolls ein, das ist auch so ein Irrer. Songtitel wie „Rockabilly Messiah“, „Bantam Fight“ oder „Boogie Bedouin“ vom aktuellen Hitalbum Back From The Jungle (Rookie Records) sagen ein Übriges. Ich bin bedient, restlos!

Samstag, 28. November 2009

Risiko und Rock N´Roll: Clutch im Substage

Kamchatka kannte ich bisher nur aus dem Strategiespiel Risiko, bei dem es gilt die Weltherrschaft zu erringen - beim Risiko spielen ist es ziemlich gut, wenn man das Land Kamchatka hat, denn dann man von Ostasien, quasi „hintenrum“, Nordamerika angreifen. Am Donnerstag konnte man lernen, dass es auch eine Band mit diesem Namen gibt. Warum die allerdings so heißt, ist schleierhaft, aber es gibt eine Theorie: Mit ihrer wilden Mischung aus Blues, Jazzrock und Psychodelic klingen Kamchatka so amerikanisch wie nur was. Um so überraschender, dass diese drei Hippies aus dem schwedischen Kaff Varberg kommen. Nun kann man beim Risiko Nordamerika auch von Skandinavien her angreifen, aber vielleicht wollten die Musiker ihrer US-Affinität bei der Namensgebung auf möglichst subtile Art Ausdruck verleihen. Leute die viel kiffen haben ja des öfteren assoziativ äußerst verschlungene Gedankengänge und wie sagte mein Stehnachbar: „Wenn die mehr Erfolg hätten, wären sie bestimmt alle auf Heroin.“ Das kann noch werden, denn Kamchatka sind eine wirklich großartige Band und wer 2009 „Whipping Post“ von der Allman Brothers Band covert, hat sich die Weltherrschaft redlich verdient – da musste auch Clutch-Drummer Jean-Paul Gaster zustimmen und stieg am zweiten Schlagzeug ein, fett!
Zwei Schießbuden fuhren auch Kylesa auf, verliehen ihrem hypnotischen irgendwo zwischen Pentagram, Fu Manchu und Baroness angesiedelten Sludge-Sound, dadurch aber eine arg metallische Note. Ansonsten machten sich Gitarristin Laura Pleasants und ihr männliches Pendant Phillip Cope, die sich den Gesang teilten, insbesondere um die Pflege des Halleffekts verdient. Nach den Filigrangroovern Kamchatka keine Steigerung.
Nach ewig langer Umbaupause - die ganzen Schlagzeuge mussten schließlich verräumt werden –, endlich: Clutch. Mit dem Titel des aktuellen Langspielers, Strange Cousins From The West, ist über diese Band eigentlich schon alles gesagt. Ohne Instrumente würde diese „Jungs“ aus Germantown im beschaulichen US Bundesstaat Maryland kein Mensch ernst nehmen: Gitarrist Tim Sult ist ein introvertierter Moppel, den sie in der schule bestimmt schon immer gehänselt haben, Gaster sieht wirklich aus wie der Seltsame Cousin vom buckligen Teil der Verwandtschaft und an Basser Dan Maines kann man sich schon kurz nach dem Konzert nicht mehr erinnern. Sänger Neil Fallon schaut zwar auch nicht besser aus, kommt aber mit seinem Rauschebart und tiefliegenden Kohleaugen rüber wie ein fanatisierter Wildwestprediger aus dem vorletzten Jahrhundert. Doch was kann der Mann singen und was haben diese Kerle den Blues! Clutch waren eigentlich schon immer die Band für die Biertrinker unter den Stoner-Rock-Fans, weil viel stärker im Bluesrock verwurzelt als viele ihrer Genre-Kollegen. So muss man bei Neil Fallons Riffs eigentlich öfter an Deep Purple zu Stormbringer-Zeiten, als an Black Sabbath denken. Unentwegt schimmern auch die alten Meister aus Chicago durch. Und ist die Kupplung erst mal durchgetreten, lassen sich Clutch so schnell nicht mehr stoppen: Wie ein riesiger Truck auf einem Nachtschwarzen Highway wälzt sich dieses Ungetüm von einer Bandmaschinerie über einen Hinweg, dass eigentlich nur die Flucht bleibt. Doch man bleibt erstarrt wie das Kaninchen vor der Schlange sitzen und erwartet voller Faszination den tödlichen Biss.

Donnerstag, 26. November 2009

Frick goes Fantasy: Sardev, der Schatten des Friedens

Bloggerkollege Klaus N. Frick dürfte den meisten als Verfasser der Geschichten um den Kleinstadtpunker Peter Pank, die regelmäßig im Ox-Magazin erscheinen und inzwischen zwei Bücher (Vielen Dank, Peter Pank und Chaos en France – Peter Pank in Avignon) füllen, bekannt sein. Jetzt aber fliegen statt Bierdosen die Fetzen, und zwar menschliche, denn mit „Sardev, der Schatten des Friedens“ (Basilisk), hat sich Sciencefiction-Fan Frick, der bei einem Rastatter Verlag die berühmte Weltraumabenteuerserie Perry Rhodan als Chefredakteur betreut, nun erstmals ins Fantasy-Genre vorgewagt. Der in Karlsruhe lebende Frick hält sich dabei nicht mit der Entwicklung etwa von Multiversen oder komplizierten Magie-Konzepten auf, sondern geht einen Weg, den schon die Erfinder des Spaghetti-Westerns, Sergio Leone mit „Für eine Hand voll Dollar“ und Sergio Corbucci mit „Django“, oder später Ridley Scott mit „Alien“ oder „Bladerunner“ erfolgreich beschritten: Er holt ein mit Kitsch und allerlei Tand überfrachtetes Sujet zurück auf die (schmutzige) Arbeitsebene. Seine Hauptfigur ist kein Held, sondern ein einsamer Verlierer, ein Ausgestoßener, der einen blutigen Job zu erledigen hat – hier ist es Sardevs Rache an dem Landesverräter Schorrn -, dessen Erfüllung ihm aber keinen Frieden bringen wird. Denn für einen professionellen Partisan, einen Freischärler wie diesen Sardev, bedeutet das Ende des Kampfes eben nicht verdiente Ruhe, sondern Abstieg in die Beschäftigungs-, ja Bedeutungslosigkeit – so erklärt sich auch der widersprüchlich anmutende Titel. Ein kleines, gradlinig geschriebenes, spannendes, manchmal brutales Buch. Eher geeignet für Freunde des ehrwürdigen Robert E. Howard (Conan), als für Freundinnen von Stephenie Meyer (Twilight).

Dienstag, 24. November 2009

New.Bands.Festival Karlsruhe: Das Finale

Nach einem langen Wettkampfjahr mit drei spannenden Vorrunden und einer aufregenden Zwischenrunde, ging das Karlsruher New-Bands-Festival vergangenen Samstag im Jubez endlich ins Finale – das vierte in Folge mit Pfälzer Beteiligung. Sechs Bands hatten sich bis hierher vorgekämpft, drei die Chance auf begehrenswerte Preise wie Auftritte bei „Das Fest“ eine CD- und eine Video-Produktion. Nach den bisher eher mittelmäßig besuchten Veranstaltungen konnten sich die Organisatoren diesmal auch über ein mit 400 Besuchern gut gefülltes Haus freuen. Beste Voraussetzungen also für einen stimmungsvollen Spieltag.
Mit From All This Dreaming begann die zwar musikalisch schwächste Band des Abends, aber Sängerin Megan und ihre Jungs lieferten wie immer eine sehr engagierte Live Show – und wurden im Endeffekt mit dem Videopreis für die beste Performance belohnt. Full Spin dagegen können wirklich spielen und Frontfrau Steffi Spingies singen, klingen aber exakt wie Melissa Etheridge, was der Zielgruppe der unter 20-Jährigen allerdings schnuppe zu sein schien, da sie mit Spätachziger-Mädelsrock schon aus biologischen Gründen nix am Hut haben. Auch sind die Songs des Trios auf Dauer etwas einförmig, dennoch verfügen Full Spin mit “Go Away” über einen echten Ohrwurm – und das ist mehr, als die meisten Bands heute im Repertoire haben. Die Folge: Ein respektabler dritter Platz und der Publikumssieg.
Gegen die professionelle Spielfreude von Full Spin hatten es die beiden blutjungen Punkmädels Biestig natürlich etwas schwer. Für die Zwillinge Anne und Jule reichte es am Ende daher nur für den undankbaren, weil undotierten, vierten Platz. Trotzdem, kein Grund zur Trauer: Biestig hatten mit ihrer Charmanten Art, guten deutschen Texten und effektiven Punk Kurzattacken den mit Abstand größten Unterhaltungswert und haben mit etwas mehr instrumenteller Routine - oder Verstärkung – von allen angetretenen Bands mittelfristig sicher die größten Perspektiven erfolgreich zu sein. Auch Moneo legten sich mächtig ins Zeug, hatten aber nicht ausreichend originelles Songmaterial zu bieten. Ansonsten fielen die Bad Bergzaberner vor allem durch das Auftragen der Strickjacken ihrer Großväter auf und somit durchs Raster.
Anders die Indie-Rocker Sonic Avalanche: Nicht nur wegen ständig verstimmter Gitarren - und trotz ihres teilweise stark an Dredg erinnernden Sound - konnten die Karlsruher mit einigen überraschenden musikalischen Wendungen aufwarten, die ihnen Dank des teilweise arg uninspirierten Songwritings der Konkurrenz am Ende den Sieg bescherten. Stark begannen auch The PuddnHeads und begeisterten mit an die frühen Rolling Stones erinnerndem Beat-Sound - erstaunlich für so junge Hunde – und Sänger Tobses sympathisch- lausbübischer Bühnenpräsenz. Leider schafften es die „Querköpfe“ noch nicht, dieses Konzept in letzter Konsequenz durchzuziehen und verloren sich nach hinten raus ein wenig im stilistischen Bermuda Dreieck zwischen Heavy-Metal, Punk und Poprock. Schade, denn bei etwas stärkerer Fokussierung aufs Wesentliche wäre sicher mehr als die zweite Stufe auf dem Siegertreppchen drin gewesen. Zum Ausklang gab es noch einen Kurzauftritt der Sieger von 2008, der Folk-Rock-Barden Perry O’Parson. Insgesamt ein musikalisch gutklassiges Finale, wenn auch im Vergleich zu den letzten paar Jahren weniger mitreißend.

Freitag, 6. November 2009

Dem Grab entrinnt man nicht: Amorphis im Substage

„Stillstand ist Rückschritt und der erste Schritt zum Grab“, sagte einst der Unternehmer Reinhold Würth. Nun ist es sicherlich etwas unorthodox Konzertbesprechungen mit Industiellensprüchen einzuleiten, doch sofern der Künzelsauer „Schraubenkönig“ Recht hat, ist Esa Holopainen, Gitarrist und Annführer von Amorphis, das ewige Leben vergönnt. Denn Amorphis sind eine eigenartige Band. Im wahrsten Sinne des Wortes in gewisser Hinsicht amorph, ja unfassbar. Mit ihrem eigentümlichen, epischen, irgendwie progressiven Gothik-Folk sind die Finnen, ähnlich wie Paradise Lost oder den aufgelösten Sentenced, ihren Death Metal Ursprüngen zwar seit langem entwachsen, so richtig Wurzeln geschlagen haben sie aber seither nicht mehr: Mittels dieser Musik könnten sich auch Nichtvulkanier - und das ohne zu Hilfenahme eines Cannabis-Vaporizers - in andere Dimensionen beamen. Mit ihrem neuesten Burner, Skyforger, haben Amorphis diese Transporttechnik, die sie auf den beiden Vorgängern Eclipse und Silent Waters erprobten, noch perfektioniert.
Folgerichtig bestand am Mittwoch im Substage die Setlist, inklusive fünf ganz neuer Songs, zu zwei Dritteln aus Material von den letzten drei Alben, von denen bisher zwei Goldstatus erreichten. Doch zeigt sich der goldene Erfolgspfad für Amorphis nicht ohne Brüche: Zwar gehörte der Eröffnungsdoppelschlag „Silver Bride“ und „Sampo“ vom aktuellen Werk neben der Hymne „Silent Waters“ zu den herausragenden Momenten, doch kam beim durchweg wohlmeinenden Publikum die ganz große Stimmung erst bei "Black Winter Day“ und “Sign From The North Side” von den seitens der damaligen Kritik als nicht sonderlich inspirierte Todesblei-Scheibletten geschmähten Frühwerken Tales Of The Thousand Lakes und The Karelian Isthmus auf. Nicht ohne Ironie auch, dass Pasi Koskinnen, dessen melodischer Gesang mit der Abkehr vom anfänglichen Sound immer mehr in den Fordergrund gerückt war, seine Stellung 2004 kündigte, um sich einem Death Metal Projekt zu widmen. Jetzt bekam der ehemalige Sinisthra-Fronter Tomi Joutsen das Mikro in die Hand, der wieder verstärkt growlt. Die eigene Herkunft lässt sich eben nicht verleugnen. Bei einer Death Metal Band ist das nun einmal das Grab.

Mittwoch, 4. November 2009

Müslim-Metal: Der neue harte Trend aus dem Morgenland

Fundamentalismus, Lustfeindlichkeit, Bigotterie? Das war gestern! Auch in der islamischen Welt werden die Pommesgabeln zum Himmel gereckt, Bandaufnäher auf den Kaftan gepappt und im Mosheepit die Köpfe gebängt bis der Turban wackelt. Hier die Top-16 der NWOMHM-Bands:













































Ja, der Tag im Proberaum ist lang, wenn´s beim Songwriting mal nicht so läuft: Ausgedacht und verwirklicht wurden diese grandiosen Charts im wesentlichen von den Def-7-Kollegen Tank, King und Bruckner.

Let There Be Rock: Fabrik Bruchsal

Obwohl der sogenannte Classic Rock, mit alten Helden wie Black Sabbath oder Whitesnake und neuen Hoffnungen wie Wolfmother oder Jack Whites The Dead Weather, gerade seine soundsovielte Auferstehung seit dem Mitteljura erlebt, wird der Rockfan im Nachtleben richtiggehend diskriminiert. Und als sei die allgemeine Nichtbeachtung nicht schon Strafe genug, wird der Freund wuchtiger Drums und pfeiffender Gitarrenfeedbacks auf Schritt und Tritt noch mit musikalischen Missgeburten wie Atzen-Musik oder Modern-Soul drangsaliert. Dabei wusste schon das an sich nicht übermäßig rockende Electric Light Orchestra: „Rock N´ Roll Is King“.
Inzwischen muss sich der König bei der Verteidigung seines Reiches allerdings auf recht wenige Bollwerke verlassen. Die Fabrik in Bruchsal ist eines davon. Hier kann der Altrocker genauso die speckigen Lederhosen - nicht zu vergessen: Bandanas - auftragen und sein Bierchen schlürfen ohne Ohrenkrebs zu riskieren, wie der gepiercte Stoffschuhträger seine Rempeltänze zelebrieren kann.
Die Werkstore öffneten sich bereits 1980. Damals spielten die DJs – Gott segne sie! - Bands wie Uriah Heep, Nazareth oder Golden Earing - um nur einige zu nennen – später gab es einen „Hard & Heavy“-Tag und dienstagabends (!) New Wave. Immer wieder spielten auch Livebands wie Schwoißfuß, Wishbone Ash, Ten Years Later (mit Alvin Lee), Worlock oder Chicken Shack. Seit einem anwohnerbeschwerdenbedingten Umzug 1992, rauchen die Schlote nun im Industriegebiet Stegwiesen. Zunächst hielten Nachfragebedingt allerdings auch Blasphemien wie Techno oder Schlager und NDW Einzug, in die doch dem Rock geweihten (Fabrik)Hallen. Rechtzeitig zur Jahrtausendwende - immerhin drohten der baldige Weltuntergang sowie weitere göttliche Unmutsäußerungen - besannen sich die Werksleiter Jürgen Debatin und Peter Wachter auf ihre Ursprüngliche Mission: zu Rocken. Es gibt wieder Konzerte, unter anderem holte man Him, Ten Years After (ohne Alvin Lee) oder zuletzt Poppa Chubby und Y&T, das Donnerstagsmotto „Best Of Rock” ist selbsterklärend und an den Freitagen gibt es vom unvergleichlichen DJ Mütze - bekannt und beliebt aus der Katakombe in Karlsruhe - mit Alternative eins auf dieselbe. Samstags wechselt das Programm. Nächster Rocktermin: „Hardrock und Poser Night“, Sa, 21.11., 21Uhr.

Mittwoch, 28. Oktober 2009

Bandanas und Hosenträger: Hardcore Superstar im Substage

Sofern Hardcore Superstar für ihre aktuelle Deutschlandtour eine Vorband gesucht haben, die ihnen auf keinen Fall gefährlich werden kann, haben sie in ihren schwedischen Landsleuten Avatar die perfekten Kandidaten gefunden: Kinder, die für andere Kinder Kinder-Metal spielen, der sogar den anwesenden Kindern – zumindest am Dienstag im Substage – zu infantil war. Und noch eins: Ibanez-Gitarren und 5-Saiter-Bässe sind NICHT Rock N´ Roll. Merkt euch das, ihr Grünschnäbel!
Dabei hätten Hardcore Superstar derartige Hilfstruppen überhaupt nicht nötig. Trotz maßlos übertrieben langer Wartezeit zwischen Umbau und Auftritt werden die Göteborger mit offenen Armen und Dekolletés empfangen. Mit Sleaze Hymnen wie „My Good Reputation“ oder „Shades Of Grey“ und härterem Stoff wie “Into Debauchery” nehmen die Superstars das Substage im Sturm. Das sehr gemischte Publikum, alte Posies im abgetragenen Hanoi Rocks T-Shirt und junge Emo-Kids mit Scheitelfrisur, vereint im Freudentaumel.
Exkurs: Die Bandana, eine Kulturkritik. Augenscheinlich erfreut sich die Bandana, also das als Stirnband getragene quadratische Tuch, einer aufkeimenden Renaissance. Ein gutes halbes Dutzend Kopfgebindeträger sticht unter den knapp vierhundert Besuchern hervor. Das gibt Anlass zur Sorge, denn klein ist der Kreis jener Menschen, welche diese Insignie der Nonchalance zur Schau stellen können, ohne sich der Lächerlichkeit Preis zu geben. Eine kurze Inventur der verschiedenen Kategorien kopftuchtragenden Personals verdeutlicht das: Grundvoraussetzung ist entweder eine gewisse Art männlicher Attraktivität gepaart mit unaufdringlichem Machismo (Johnny Depp), übergroßes Selbstbewusstsein (Axel Rose), eine gehörige Portion Schratigkeit (Saint Vitus´ Dave Chandler, der späte Keith Richards) oder eine Aura der Gewaltbereitschaft (Crips, Bloods, Mike Muir und Ice T). Die Finger vom Binder lassen sollten eigentlich fast alle anderen, insbesondere Tartüffs wie Brett Michaels, oder alternde Harley-Fahrer. Denn: Genauso wenig wie jemand, der sich eine McDonalds-Krone aufsetzt automatisch zum König wird, ist das Stirnband eine hinreichende Bedingung für Coolness. Es ist vielmehr umgekehrt.
Joakim „Jocke“ Berg kommt heute jedenfalls ohne Lappen um die Ohren aus – dafür trägt er Gürtel UND Hosenträger. Der hyperaktive Hardcore Superstar Frontmann gebärdet sich wie eine Promenadenmischung aus Steven Tyler und Iggy Pop, hat also durchaus den Hang zur großen Geste. Trotzdem hat man - anders als zuletzt bei den Backyard Babies - nie das Gefühl, die Superstars fühlten sich für Clubs im Grunde überqualifiziert und spielten eigentlich lieber im Stadion. Die einzelnen Teile des Bandgefüges greifen ineinander wie bei einer gut geölten Maschine. Kritisieren ließe sich vielleicht allenfalls die relative Gleichförmigkeit des Songmaterials, dass fast durchweg im oberen Midtempo-Bereich dahinrollt. Aber gut, mit diesem Vorwurf haben schon ganz andere Bands leben gelernt.

Mittwoch, 21. Oktober 2009

Y&T, Fabrik, Bruchsal



Ein Zwillingsgeschütz stößt Dauerfeuer aus zwei gleichzeitig schießenden Rohren und dient meist zur Flugabwehr, in der Ausführung mit zwei miteinander gekoppelten Gitarren kann es allerdings auch äußerst effektiv gegen Weichziele eingesetzt werden. Das wissen auch Y&T. Auf zwei kurze Twin-Guitar-Salven folgen sogleich schwere Einschläge. „Open Fire“, „Don´t Wanna Lose” und “Hang Em High” bilden die erste Angriffswelle und spätestens jetzt ist die Gefechtslage klar: Hier werden keine Gefangenen gemacht. Denn dem lappalienfreien Heavy-Bluesrock von Seargant Major Dave Meniketti und seiner Infanterie hat der Gegner rein gar nichts entgegenzusetzen.
Der allgemeinen Hochstimmung in der Fabrik in Bruchsal tut das an diesem Dienstag freilich keinen Abbruch, im Gegenteil: Spätestens bei der alten Schlachthymne „Meanstreak“ liegen sich - seit sehr langer Zeit – erwachsene Männer in den Armen, recken die geballten Fäuste zum Himmel als habe es Grunge nie stattgefunden und scheinen zum Äußersten bereit. Doch zum Glück scheinen Y&T recht friedliebende Charaktere zu sein. Das bösartigste, was die vier gesetzteren Herren an den Tag legen, ist eine Vorliebe für Jägermeister. Basser Phil Kennemore feiert heute nämlich seinen „zweiundvierzigsten“ Geburtstag, da wird angestoßen. Doch selbst hier heißt es Maß halten, zumindest für Meniketti, denn der muss ja noch singen und bekommt von dem „schrecklichen Zeug immer Sodbrennen.“ Kennemore dagegen möchte die Kerze heute am liebsten von beiden Seiten anzünden und genehmigt sich, ganz böse, sogar das eine oder andere Kippchen auf der Bühne. In Feierlaune werden auch spontane Songwünsche von Fans angenommen. Meniketti tut seinem alten Kumpel, mit dem er seit nunmehr 35 Jahren Rücken an Rücken steht, den gefallen (Was willst Du denn gerne spielen, Phil?) und gibt sich alle Mühe, sich der Texte und Akkordfolgen längst vergessener Schätze wie „Lipstick and Leather“, „Masters and Slaves“ und „Surrender“ zu entsinnen. Demgegenüber vertreibt sich Phil die Zeit mit einem Tänzchen und überlässt dem Gitarrenroadie das Bassspiel. Oder er reist die Saiten gleich ganz von seinem Instrument und lässt sie simultan zum Spiel wieder aufziehen, da er das mitführen von Ersatzinstrumenten offenbar für ein Zeichen von Schwäche hält. Bei der herzzerreißenden Powerballade „I Believe In You“ sind dann aber alle wieder mit vollem ernst dabei.
Nun lässt sich der Satz, „diese Band hat nie die Aufmerksamkeit bekommen, die sie verdient hat“, auch nicht mehr länger umschiffen (Kling klong, zwei Euro ins Journalisten-Phrasenschwein). Kein Wunder: Y&T waren schon immer so was wie eine Kreuzung aus Mötley Crüe ohne Drogen und Whitesnake ohne Homoerotik. Hair-Metal ohne Haare eben, oder auch Bangen mit Köpfchen. Songs wie die Rauschmeisser, das von Phil geschriene „Squeeze“ und das mächtige „Forever“ legen noch einmal Zeugnis davon ab, dass die Band ihren Namen zu recht trägt: Y&T steht für Yesterday and Today; für diese zeitlose Musik wird es immer ein Morgen geben.

Shy Guy At The Show, Das Haus, Landau

Es sind nur noch wenige Minuten bis zum Auftritt von Shy Guy At Th Show (SGATS) im Club „Das Haus“ in Landau. Sänger Sebastian Emling schenkt sich ein Glas schweren Rotweins ein. Das gehört vor jeder Show zum Ritual. Fast ölig schwappt der alte Barolo in dem dickbäuchigen Gefäß hin und her, die Hände des sonst so souveränen großen Mannes zittern. Bühnenangst? Kalter Drogenentzug? Kalt, ja, kalt ist das Stichwort: Bei annähernden Minusgraden im „Backstageraum“ des Spielorts, bestehend aus einem offenen Party-Pavillion im Hof, kann man schon mal ins Bibbern kommen, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, alle landläufig bekannten Rock n´ Roll-Klischees über zu erfüllen.
Öffnet man die mit einer Matratze verbarrikadierte Tür zum Konzertsaal, wogt einem tropische Hitze entgegen. The Serpentines, extra aus dem fernen Stuttgart angereist, sorgen mit ihrem leicht fisseligen aber dennoch famosen Post-Punk für rote Gesichter beim von Bewegungsdrang erfüllten Publikum. Man wünschte nur, Frontmann Tobias Adam entlockte seinem enormen Gitarren-Effekt-Board mitunter auch mal ein paar knackig verzerrte Akkorde. Rocken statt apart sein, ist das Gebot der Stunde!
Nach kurzer Verschnauf- und Umbaupause schließlich, ist es Zeit für SGATS: „Ghosts“ heißt der donnernde Opener, „I am haunted (ich bin verdammt)“ singt Emling mit Grabesstimme und mit von Wein und feuchter Schwüle glühenden Wangen. Man glaubt es ihm aufs Wort. Er zuckt, krümmt und windet sich, fast wie die von Dämonen besessene Regan McNeil in William Friedkins Film The Exorcist. Dann wieder gibt er den glücklichen Prinzen Oscar Wildes, der traurig und suchend in die Ferne blickt, auch wenn die nur bis zu den brütenden Scheinwerfern, die in zwei Metern Entfernung an der niedrigen Decke hängen, reicht. Das ist über weite Strecken faszinierend, aber nur selten mitreißend und so sind die Besucher meist eher mit Schauen als Schwofen beschäftigt, obwohl der elektronisch aufgeladene Goth-Rock der scheuen Jungs eigentlich absolut tanzbar ist. Unnahbarkeit beim Künstler kann eben auch zu Reserviertheit beim Zuschauer führen. Selbst der verschlossenste Popexistenziallist sehnt sich doch still und heimlich nach etwas Nestwärme, oder?
Solche boten Mr. Winterbottom, mit ihrem drangvollen bonbonbunten Indie-Poprock, dafür fast schon im Überfluss. Die komödiantisch überladene Darbietung der Landauer stand im denkbar krassesten Gegensatz zur teilweise fast schon ätherischen Performance ihrer Vorgänger. Vielleicht mit ein Grund, warum sich das Publikum aus seiner Schockstarre nicht mehr ganz befreien konnte.(PB)

Dienstag, 13. Oktober 2009

Rock N´ Roll vs. Neoexpressionismus. Ein Kunsterlebnis der 3. Art

Am Wochenende war mal wieder echte Freak-Action angesagt: Sonntagmorgen, so gegen halb fünf, standen nach einem ausgedehnten Zechbummel durch die coolsten Karlsruher Clubs – also all jene, in die man auch mit Cowboystiefeln und Schlagseite reinkommt - die Zeichen auf Dönerbude. Hier ist die Amalienstraße, im Volksmund auch Dönerallee genannt, in der Fächerstadt erste Wahl. Da Sonderanfertigungen wie ein in Lahmacun gerollter Dürüm Döner etwas länger dauern, waren die Begleitung und ich gezwungen zu warten. Die Wartezeit verkürzte ich mir gerade aufs schönste mit einem als Proviant mitgebrachten Tannenzäpfle, als die kontemplative Idylle von einer clownartigen Gestalt, angetan mit gelb-grün-oder-so-ähnlich gestreifter Hose, violettem Blazer, Hornbrille und wirrem Haar, unterbrochen wurde. Ob sie sich zu uns setzen dürfe, lallfragte die Person. Dem Ansinnen wurde ungern aber höflich stattgegeben, worauf alle Befürchtungen unumwunden wahr wurden: Das Unglück nahm seinen Ausgang mit der Frage, wie wir seine Schuhe fänden, die ich ausweichend mit der Feststellung beantwortete, dass es Slipper seien. Von Gegenteiligem konnte mich auch das Aargument, sie hätten aber tausend Euro gekostet, nicht überzeugen. Um weitere Irritationen zu vermeiden - Verrückten, alten Damen und Betrunkenen gegenüber soll man ja immer nachsichtig sein -, gaben wir weiterhin geduldig Auskunft über Herkunft und Profession. Damit hätte man es bewenden lassen können, doch war die Reaktionsfähigkeit schon etwas eingeschränkt und der Teufel gab mir die Frage ein – ich bereute schon im Augenblick da mir die Worte über die Lippen kamen, sie gestellt zu haben: „Und, was machst Du denn so?“
Ein großer Maler sei er, jaja, und Professor an der Kunstakademie zu Düsseldorf, behauptete die Clownsfigur. „Ah, da war doch der Lüpertz Direktor“, meinte ich. Oh, ich kennte mich ja aus, war die große Malerperson dithyrambisch, aber jetzt sei ja Anthony Cragg am Ruder. Ich als Ästhet fände das eh schon immer scheiße was der Lüpertz so mache, meinte ich tröstend. Der sei doch ein Backenbläser und nach 20-jähriger Amtszeit ja auch längst nicht mehr unumstritten gewesen. Woraufhin der Maler schlagartig vom Genie zum Wahnsinn wechselte und unter der Androhung von Schlägen die Rücknahme meiner Aussage forderte. Das sei hier ein freies Land und ich könne über Kunst sagen, was ich wolle, klärte ich den sich immer rumpelstilzchenhafter gebärdenden Künstlerfurius auf. „Oh, nimm´s halt zurück“, meinte die Begleitung nur und verdrehte demonstrativ die Augen.
Nun sind aber weder Augen rollende Begleitungen noch Personen, die wesentlich schmächtiger sind als ich, dazu geeignet, mich im Zustand eines gewissen Trunkenheitsstarrsinns zur Revision einmal gemachter Äußerungen zu bewegen, weshalb ich Rumpelstilzchen auf die durch hoffnungslose körperliche Unterlegenheit bedingte Sinnlosigkeit seines Unterfangens hinwies. Mit dem Stock auf einen Bienenstock einzuschlagen, um die Bewohner zum einstellen des lauten und störenden Summens zu bewegen, hätte vermutlich eine sachlichere Reaktion nach sich gezogen – OK, vielleicht hätte ich die Worte „alter Furz“ nicht verwenden sollen -, denn nun fuchtelte mir der ergrimmte Künstler statt eines Pinsels mit einer Bierflasche, meiner eigenen, vor meiner Nase herum!
Nun wurde es mir zu bunt und ich beförderte das Männlein mit Schwung durch die offene Tür der Dönerbude, wo es, perdauz, auf seinem Hintern landete. In diesem Augenblick bemerkte ich die beiden Polizisten, zielstrebig steuerten sie auf mich zu. „Grandios“, dachte ich, „Volltreffer!“. Die Gesetzeshüter blieben aber äußerst cool - wohl auch weil sie mittlerweile Verstärkung von mindestens acht (!) Einsatzfahrzeugen, Streifen- und Mannschaftswagen erhalten hatten -, fragten mich äußerst freundlich nach Art und Ursache der Turbulenzen und ob Rumpelstilzchen in Körper verletzender Absicht auf mich losgegangen sei. Ich verneinte dies und erläuterte, dass es wohl eher in volltrunken-unüberlegter Absicht geschehen sei und zu keiner Zeit eine ernsthafte Gefährdung meiner Person bestanden hätte. Froh darüber, lästigen Papierkram vermeiden zu können, erteilten die Polizisten dem enthemmten Künstler einen Platzverweis und fuhren in Kolonne davon.
Nach schlussendlichem Verzehr des Döners, machten wir noch einen kleinen Abstecher in einen benachbarten Nachtclub. Was denn das nebenan für ein Polizeigroßeinsatz gewesen sei, wollte der mir bekannte großkalibrige Türsteher wissen. „Ach, ich hatte nur eine kleine Auseinandersetzung“ meinte ich. Mein gegenüber war sichtlich beeindruckt. Nach einem kleinen Absacker trat ich selbstzufrieden den Heimweg an.
Am nächsten Tag hatte ich meine Begleitung an der Strippe, zwecks Manöverkritik der nächtlichen Kampfhandlungen: „Da hast Du ja in ein schönes Wespennest gestochen“, meinte sie lachend. „Wieso das denn?“, fragte ich. „Der Typ war Meisterschüler vom Lüpertz und nach allem was man so hört, hat er ihm offenbar auch seinen Lehrauftrag in Düsseldorf zu verdanken“. Da habe ich ja wirklich Glück gehabt, dass die Bullen so schnell und zahlreich zur Stelle waren.

PS: Professor ist Rumpel übrigens gar nicht. Professoren haben in Düsseldorf nämlich alle eine eigene Telefonnummer.

Montag, 12. Oktober 2009

Dickie Peterson ist tot

Laut der Blue Cheer Myspace Seite ist Bassist/Sänger Dickie Peterson heute verstorben. 1968 hatte das in Boston gegründete Powertrio mit einer räudigen Version des Eddie Cochran-Hits Summertime Blues einen Top-20 Hit in den USA und schrieb mit den mit Acid-getränktem Lärm angefüllten Alben Vincebus Eruptum (1968) und Outsideinside (1968) Musikgeschichte. Blue Cheer gelten als Wegbereiter des Heavy Metal und wurden im Guiness-Buch der Rekorde lange vor Manowar als lauteste Band geführt. Letztes Lebenszeichen von Dickie und Co war ein gefeiertes Stoner-Statement von CD, mit dem nun tragisch anmutenden Titel What doesn´t kill you (2007). Dickie Peterson lebte zuletzt in Köln, er wurde 61 Jahre alt.

Sonntag, 11. Oktober 2009

New.Bands.Festival: Das Halbfinale

Haben die Jungen Bands heutzutage eigentlich keine Freunde mehr? Sitzen sie nur noch weltabgewandt in feuchten lichtlosen Probekellern und haben vor lauter eigenbrödlerischem Feilen an neuen Spieltechniken den Kontakt zur Außenwelt (Publikum) vergessen? Oder hat sich gar die komplette Interaktion zwischen Bands und Fans in Internetzwerke wie Myspace und Facebook verlagert? Zu solchen Fragen nötigt eine durchaus jämmerliche Kulisse von 250 Besuchern beim - immerhin - Semi-Finale des New.Bands.Festivals. Bei sechs antretenden Gruppen mit durchschnittlich vier Musikern, sind das gerade zehn Leutchen pro Nase. Die Zeiten in denen man auch zwanzig Kilometer in den Nachbarort pilgerte, um die bewunderten Musikerkumpels zu unterstützen, sind also offensichtlich vorbei.
Das ist schade, denn zu Zeiten in denen Konzertbesuche aus Kostengründen zu Quartalsereignissen zu werden drohen, kann man bei solcherlei Ereignissen für kleines Geld durchaus mitreißende Musik entdecken. Bestes Beispiel: Full Spin. Frontfrau, oder besser Frontsau, Steffi röhrt ins Mikro, reißt die Gitarre hoch, schüttelt das Haar und befehligt nebenher ihre beiden Mitmusiker. Die personelle Zwangsreduktion durch krankheitsbedingten Ausfall des Leadgitarristen macht das blonde eins-sechzig Energiebündel locker durch Nette-Schlampe-Von-Nebenan-Charme wett. Das fehlende Gitarrengegniedel tut dem wuchtigen US-Rock der „Spinner“ ohnehin keinen Abbruch. Nein, es begünstigt sogar die musikalische Entfaltung.
Da hat selbst das weibliche Doppelpack Biestig mit seinem reduzierten Protopunk wenig entgegenzusetzen. Dennoch retten sich Anne und Jule mit geballter Herzlichkeit und Zwillingspower, über alle schief gesungenen Töne und spieltechnischen Rumpeleien hinweg, an zweiter Stelle in die Endausscheidung. Wohl dem, der sich ein Genre wählt, in dem derartige Feinheiten nur die zweite Geige spielen. Daran hätten die schwer progressiv angehauchten Postrocker von Brainsheep vielleicht auch einige Gedanken verschwenden sollen. Denn Schiefer Gesang bringt nun mal, gleich den Posaunen von Jericho, selbst die gewaltigsten Gitarrenwände zum Einsturz. So einfach ist das. Genau anders herum war´s bei den musikalisch ebenfalls beeindruckenden Aerial Image: Wenn es gegen besagte Gitarrenwände geht, brauchst du zwingend eine Posaune, denn mit ´ner Panflöte kommst du nicht weit. Jedenfalls nicht ins Finale am Samstag, 21.11., 20Uhr, im Jubez.

Mittwoch, 30. September 2009

Das Fest hat vorerst ausgefeiert!

Am Tag bevor der Veranstalter Stadtjugendausschuss auf einer Pressekonferenz das Aus für das beliebte U & D-Festival "Das Fest" in Karlsruhe verkündete, rief Ärzte-Schlagzeuger Bela B. bei Organisator Rolf Fluhrer an, um für 2010 einen Soloauftritt anzubieten. Wir haben das Gespräch belauscht:

BB: Hallo, hierr sprricht derr Grraf!
RF: Ah, tag Bela.
BB: Du, ich hab´ gerade ´ne neue Soloscheibe draußen und würde nächstes Jahr gern bei euch spielen.
RF: Das dürfte schwierig werden.
BB: Jetzt komm mir nicht so! Der Farin durfte auch und dass der mir immer eine Nasenlänge voraus ist, stinkt mir sowieso. Es kostet auch nix – ihr zahlt mir das Hotel und gut ist. Die Band und die Crew können im Tourbus schlafen und sich ´ne Stulle schmieren.
RF: Das Problem ist, es gibt kein Fest mehr.
BB: WUUUAAAAAHHHHHHSSSSSSS?!?!?!
RF: WIR MACHEN ES NICHT MEHR!
BB: Das hab´ ich schon verstanden, schrei nicht so. Warum das denn?
RF: Ja weist Du, es kommen immer sooooo viele Leute.
BB: Freut euch doch!
RF: Im Prinzip ja, aber die zertrampeln hier in der Günther-Klotz-Anlage immer den ganzen Rasen, pissen in die Alb und kotzen die Straßenbahnhaltestelle voll. Dann sind da noch die ganzen alkoholisierten Jugendlichen außerhalb vom Gelände. Das finden die Stadtväter nicht so toll. Außerdem haben wir jetzt plötzlich gemerkt, dass zu viele Menschen gefährlich sind. Wenn es da mal eine Panik gibt, nicht auszudenken!
BB: Dann lasst weniger Leute rein. Ihr habt doch schon Zugangskontrollen. Ihr markiert die Besucher einfach mit einem Papierbändchen und bei sagen wir 70 000 ist Schluss. Das Bändchen hat jeden Tag eine andere Farbe, so dass jeder mal die Chance hat.
RF: Ne, das wollen die vom Stadtschuss nicht, weil es ihr Credo ist, dass alle zu jeder Zeit aufs Fest kommen können sollen.
BB: Dann macht es doch ´ne Nummer kleiner. Diese ganzen Superstars wie Peter Fox oder Farin Urlaub braucht ihr doch gar nicht. Lass mich und ein paar lokale Bands spielen, dann kommen von ganz alleine weniger Besucher.
RF: Och ne, das will Ich nicht. Dann kann ich am Stammtisch nicht mehr angeben, wer wieder alles gespielt hat. Die Sponsoren wollen das Übrigens auch nicht, weil sie dann keinen so großen Werbeeffekt mehr haben. Die brauchen wir aber dringend, weil die Besucher nicht genug verzehren und wir deshalb immer Defizit haben.
BB: Wenn es nicht so voll wäre, dass man die Getränkestände gar nicht mehr erreichen kann, würden die Leute vielleicht auch wieder mehr trinken?
RF: Kann natürlich sein, aber wie gesagt, das Image…
BB: Komm hör´ mir auf. Ständig müssen bei euch in Karlsruhe irgendwelche Leuchttürme, Imageträger, Werbeplattformen und Aushängeschilder – auf denen dann doch nur dumme Sprüche stehen - errichtet werden. Was haben eigentlich die Karlsruher von all den leer stehenden Messen, brachliegenden Filetstücken wie dem Kulturpark oder der Ex-Steffi und den ganzen zwangsneurotischen Haupstadtinitiativen? Wo ist da ein Plus an Lebensqualität? Die Leute sagen, früher war Das Fest eine Veranstaltung für die Region. Man konnte unverabredet hingehen und eine Menge Freunde und Bekannte treffen und sogar in größeren Gruppen auf dem Mount Klotz sitzen.
RF: Selbst wenn wir es so machen, müssen wir noch mindestens ein Jahr genau die Sicherheitsstruktur bereitstellen, als ob 350 000 kämen. Das kostet einen Haufen Geld. Wenn du also noch 100 000 Euro für Sicherheit und 30 000 Euro fürs Getränkedefizit mitbringst, kannst Du gerne spielen.
BB: Ohhh, wie steh´ ich denn dann vor Farin da? Kann euch die Stadt nix geben?
RF: Die geben uns schon immer bisschen was. Aber die müssen halt auch das Badische Staatstheater mit 18 Millionen Euro pro Jahr bezuschussen, die neue Messe mit acht Millionen und die Kaiserstrasse untertunneln. Dann bräuchten wir noch dringend ein neues Fußballstadion. Da kann man jetzt nicht auch noch mir nichts dir nichts eine halbe Millionen für ein Rockkonzert verplempern.
BB: Na ja, da kann man wohl nichts machen. Schade, dann spiel´ ich halt in der Durlacher Festhalle. Mach´s gut Rolf.
RF: Ade Bela.


Diese Gesprächsaufzeichnung ist fiktiv! Satire, Ihr versteht? In den Mund gelegt von Felix Mescoli.

Montag, 28. September 2009

Afri-Cola floss in Strömen: die Biestig Record-Release-Party

Die meiste Zeit sind Anne und Jule einfach nur Anne und Jule. Zwei Karlsruher Mädels mit Problemen Wünschen und Träumen, wie sie andere 16-Jährige auch hegen: Liebe, Freiheit, Aufrichtigkeit erfahren, ein bisschen Spaß haben, vielleicht reich und berühmt werden. Manchmal sind Anne und Jule auch biestig. Ja, und? Wohl kaum Anlass Druckertinte zu verschwenden, oder? Wo kämen wir denn da hin, wenn jede Teenagerlaune medial aufbereitet würde? Für Wichtiges, wie den Ausgang der Bundestagswahl oder des Derbys zwischen KSC und FCK, fände sich ja kaum noch Platz auf Zeitungsseiten. Aber unter Biestig ist in diesem Falle eben nicht nur ein Zustand jugendlicher Widerlichkeit zu verstehen, sondern eine Band. Eine sehr kleine zwar nur, denn als Duo haben Anne und Jule die personelle Reduktion des Bandformats völlig ausgereizt, das hat sie aber nicht daran gehindert, am Samstag im Club Alte Hackerei ihre erste CD vorzustellen.
„Würden wir Englisch singen, würden die Leute nicht ständig nur über unsere Texte schreiben“, motzt Jule. Also schreibe ich erstmal über die Musik: Auf Nebenan (Rookie Records/Cargo) finden sich zehn fluffige Punkrock Stücke mit zweistimmigem Gesang, einigen Ska und Hardcore Einsprengseln, immer weniger als 3 Minuten lang, selten mehr als drei Akkorde. Zu zweit schaffen Biestig, woran schon ganze Armeen kleiner Punks gescheitert sind: Songs ohne ein Gramm überflüssiges Fett zu schreiben, die trotzdem weder billig noch einfallslos klingen. Stattdessen sind sie von einer Wahrhaftigkeit, die stellenweise ergreifend ist, womit wir – sorry Mädels – doch wieder bei den Texten wären. Biestig kommen ganz ohne Fick den Staat- und Gabbagabbahey-Phrasendrescherei aus. Auch von geklontem Teeniegemosere über doofe Lehrer, Eltern oder Boyfriends bleiben wir verschont. Zwillingspärchen haben nämlich ihre eignen Beziehungsprobleme: Wenn die erste Tanzen gehen will, ist die zweite depri drauf, die eine kann sich mal wieder nicht Entschuldigen und die andere fühlt sich ausgenutzt. Wozu braucht man da noch Jungs – außer dafür dass sie einen vor dem Konzert wohl gekämmt umringen? Das soll jetzt nicht heißen, dass Biestig-Texte nur für die – doch recht überschaubare – Zielgruppe der Zwillingspärchen relevant wären, genannte Problemstellungen lassen sich schließlich auf jede denkbare Zweierbeziehung zu übertragen.
Die Kundschaft scheint das ähnlich zu sehen, denn wenn die Redewendung vom „gemischten Publikum“ jemals gepasst hat, dann auf dieses Konzert: Die Altersspanne ging von zwölf bis fünfzig (Oma und Opa Biestig lassen wir jetzt mal außen vor) und alle hatten ihr Vergnügen. Biestig entfalten eine für die Minimalbesetzung beachtliche Durchschlagskraft und wäre Farin Urlaub ein Mädchen und dreißig Jahre jünger, er hieße wohl Jule. Während Anne mit roten flecken im Gesicht hinterm Schlagzeug schuftet, gibt ihre Schwester die Platinblonde Rocktigerin und man muss kein Prophet sein um zu Prognostizieren, was hier auf die Männerwelt in ein paar Jahren zukommt. Starpotential ist also reichlich vorhanden und will man die Performance von Biestig auf den Punkt bringen, kann man sich eigentlich nur dem enthusiasmierten Mikro-Rufer vom Ende des Konzerts anschließen: „Ich finde sie geil!“

Achja, ich wurde - nicht nur vom Rock´n´Roll-Dad, sondern auch von Anne und Jule -, nicht ganz zu unrecht, kritisiert, den Rock´n´Roll-Dad in der Ankündigung zu sehr in den Vordergrund gerückt zu haben. Deshalb habe ich der Rock´n´Roll-Dad-Focussierung abgeschworen und den Rock´n´Roll-Dad in der Nachbesprechung jetzt nicht mehr erwähnt. Ich hoffe das geht so in Ordnung.

Donnerstag, 24. September 2009

Der Rock N´ Roll Dad

Was ist das Punkrock-Äquivalent zur Tennismutter? Der Rock´n´Roll-Dad. An Tagen, an denen seine zwei Mädels Anne und Jule als Girl Punk-Duo Biestig auf der Bühne stehen, hat Hackerei-Betreiber Plüschi keine Zeit für´s Moped-Fahren, ein Bier mit den Kumpels oder die Beantwortung von Presseanfragen. Engagiert fährt er dann Equipment durch die Gegend, nestelt nervös an Mischpulten in Jugendzentren oder beaufsichtigt bedeutungsvoll den Bühnenumbau in abgesifften Rockschuppen. Nicht zu vergessen die unermüdliche jahrelange musikalische Früherziehung mittels Ramones, Social Distortion, Adicts, Danko Jones und – vor allem – AC/DC. Und dann gilt es ja auch den Nachwuchs zumindest vor den allertiefsten Abgründen des Rock´n´Roll-Lifestyle zu bewahren; die Kinder sollen es schließlich mal besser haben als man selbst. Aber hey, welcher musikbegeisterte Erzieher eines 16-jährigen Zwillingspaares würde dies alles nicht tun? Nun wurde der väterliche Einsatz belohnt: Die Töchterlein unterschrieben – mit Zustimmung der Erziehungsberechtigten, versteht sich – einen Deal bei Rookie Records. Nebenan heißt das in kürze erscheinende Debüt, auf dem Biestig Drei-Akkorde-Punk mit etwas Ska, Hardcore und herzerwärmendem Schulmädchen-Charme kombinieren. Gesungen wird über lebensrelevante Themen wie Teenagerliebe, den doofen Freund oder den ätzenden Alltag (nix Gabbagabbahey, Fick den Staat und all so was). Das liest sich jetzt etwas flach, ist es aber nicht: Die Texte haben Esprit und auch live machen Biestig richtig Spaß. Uraufgeführt wird Nebenan natürlich in der gepflegten Punkrock-Bar vom Rock´n´Roll-Dad. Sa, 26.9., 20Uhr, Alte Hackerei.

Mittwoch, 16. September 2009

Guts Pie Earshot im Jubez

Eines steht fest: Guts Pie Earshot sind nicht unoriginell: Die im Laufe der Jahre auf Duo-Größe geschrumpfte vormalige Punk-band aus Berlin und Münster spielt – ein Exempel für den mitunter bereichernden Ef-fekt personeller Reduzierung - „Punk ohne Gitarre“, „Techno ohne Sequencer“ und „Drum ’n’ Bass ohne Bass“. Letzteres trifft den Nagel so ziemlich auf den Kopf, denn Rizio spielt tatsächlich keinen Bass, sondern e-ben Cello. Konzeptionell klingt das recht überzeugend, entsprechend gut besucht für einen Dienstagabend ist das Jubez.
Eingestimmt wird das Publikum mit flippigem Hardcore-Punk von Cloak/Dagger aus Rich-mond, Virginia – überzeugend vor allem Col-lin Barth an der Gitarre mit virtuosem X-Fuß-Posing. GPE beginnen dann eher dezent. Das Cello säuselt lieblich verzerrt vor sich hin, bis das Schlagzeug, zunächst vor sich hinklimpernd, schließlich die erste Brachial-Attacke einläutet. So geht es im dynamischen Wechsel munter fort. Dass GPE trotz minimalistischer Besetzung dabei gänzlich auf elektronische Stützen wie Sampler oder Laptop verzichten, ist bemer-kenswert und verlangt sicherlich die Ver-wendung von einigem Gehirnschmalz auf die musikalische Umsetzung. Ist man allerdings nicht in bierseeliger Tanzlaune, sind GPE zum Zuhören auf Dauer wieder Erwarten dann doch ein wenig eintönig. Schlagzeuger Scheng ist nun mal kein Marco Minnemann sondern ein etwas vielseitigerer Punkro-cker. Sein Beatspektrum bewegt sich zwi-schen Rammstein-Stampf und Highspeed-Polka. Der Cellosound wabert meist irgendwo zwi-schen sphärischem Gedröhn und orientalisch anmutenden Patchouli-Melodien - dass man mit etwas mehr Virtuosität und leicht er-weiterter Besetzung noch einiges mehr aus dem Genre rausholen kann, zeigen zum Bei-spiel E3 aus Spanien. Doch um musikalische Finesse geht es GPE ja auch gar nicht. Par-ty lautet das Motto und da lag man mit dem Einsatz der Zutaten Stampf und Patchouli ja noch nie ganz falsch: ersteres gefällt Alt-punks, Discogängern und Maschinenbau Stu-denten gleichermaßen, letzteres stellt die mitgebrachten Freundinnen ruhig und lässt alternde Hippie-Mädchen mit Sternen in den Augen einmal mehr dem Bauchtanz frönen. So kann man sich treiben lassen wie auf einer Techno Party, Pogen, wie auf einem Punk-Konzert oder sogar in Helikopter-Manier die Haarmatte kreisen lassen . Begeisterung auf ganzer Linie also? In bierseeliger Tanzlaune, ja.

Sonntag, 13. September 2009

Und die SPD rockt doch

Einen Wahlwerbespot des Karlsruher SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Jung, erstellt vom lokalen Video-Wunder Lord Ax Hooper, findet ihr hier. Der verwegene Typ am Steuer ist ein alter Kumpel des Autors und eine Koryphäe des Karlsruher Nachtlebens. Achja, und dann gibt´s noch Musik von den Lonesome Dragstrippers. Wenn das die jungen Erstwähler mal nicht in Scharen an die Urnen treibt!

Freitag, 11. September 2009

"Slash", das Buch zum Kerl

Ich hatte die Slash-Biographie schon eine ganze Weile im Regal stehen, aber irgendwie kam ich erst jetzt zum lesen. Hier mein Eindruck: Wer Bandbios nur wegen der Bums-, Bölk- und Badass-Geschichten liest, wird beim schmökern in „Slash“ (Harper) zwar fündig, aber nicht befriedigt werden. Klar, wenn es darum ging die Kerze von beiden Seiten anzuzünden, waren auch der Ex-Gunners-Gitarrist und seine Kumpane stets vorne mit dabei. Aber gegen die Hedonisten-Bibel schlechthin, Mötley Crües The Dirt, nimmt sich „Slash“ aus wie das Tagebuch eines pubertierenden Hauptschülers, wie ihn sich Leute wie von und zu Gutenberg vorstellen: Leerer doof, Arbeit doof, Mädchen doof, aber irgendwo muss man ja abladen, Kumpels cool (außer Axel, obwohl der erstaunlich gut weg kommt), aber schon Asi, Alk und Drogen gut. Kein Wunder also, dass der Wälzer nicht ganz sooooo eingeschlagen hat.
Wer seine üblichen Klischees aber nicht unbedingt übererfüllt haben muss und sich auch für den Musiker Slash interessiert, dem wird dieses Buch sehr viel geben. Denn eines wird völlig klar: Der Mann lebt nur für und durch seine Gitarre. Das erste Mal Black Sabbath oder Van Halen zu hören erschüttert ihn stärker als das erste Abspritzen oder der erste Schuss und sein erstes Solo zu meistern scheint ihm mehr Befriedigung verschafft zu haben als der Gigantismus zum Ende der Guns N´ Roses-Ära. Trotz seines extremen Lebens und seines Reichtums vermittelt Slash glaubhaft den Eindruck, er sei immer er selbst und vor allem Fan geblieben - welcher Musik-Afficionado erinnert sich nicht exakt an den Augenblick, in dem er vom Spirit of Rock n´Roll beseelt wurde? Das ist mehr, als man von den meisten Rockbios behaupten kann.

Donnerstag, 10. September 2009

SGATS Podcast

Die Karlsruher No-Wave-Existentialisten shy guy at the show arbeiten gerade an einem Konzeptalbum, das auf Goethes Prometheus basiert (!). In ihrem neuen Podcast gewährt die Band Einblicke in ihre Arbeitsweise und spricht über ihre wichtigsten Einflüsse. In der ersten Folge spricht Sänger Sebastian kluge Dinge über den Meister aller Grusel-Schriftsteller Edgar Allan Poe. Und man kann da wirklich noch was lernen, oder wusstet Ihr was ein unzuverlässiger Erzähler ist?

Freitag, 28. August 2009

Florian Bronk - Hip Hop mal anders

Zugegeben: Er ist kein Rocker, er ist nicht cool und er ist nicht tough! Trotzdem möchte ich Euch heute einen Musiker vorstellen, der mich auf eine ganz besondere Weise berührt. Ich habe ihn schon des Öfteren mit Freuden gefeatured und so langsam scheinen sich seine Qualitäten auch überregional herumzusprechen: Florian Bronk, ein gewöhnlicher deutscher Name, doch damit hat es sich dann auch, was dieser Hip-Hop-Künstler an Profanität zu bieten hat. Florian (fkna Zimba) bedeutet: "Der Blühende" oder auch „der glänzend Ausgestattete“ und tatsächlich sind die Talente des 23Jährigen vielfältig: Seine Musik ist eine farbenfrohe Melange aus Hip Hop-, Reggae-, Singer/Songwriter-, World- und Jazzeinflüssen. Die aggressive Sprache der Berliner Schule ist ihm fremd, Florian ist ein origineller Geschichtenerzähler - wer bitte, von dubiosen end-sechziger Psychodelic Bands vielleicht einmal abgesehen, schreibt schon ein zehnminütiges Epos über die Reise eines Sandkorns - , der sich nicht hinter Schädelmasken versteckt, sondern sein Herzblut offen vergießt.
In Blumenau, Santa Catarina, Brasilien geboren und bei deutschen Eltern in Karlsruhe aufgewachsen, wurde Florian schon zu zweiten Mal Adoptiert: Bei der Aktion „Söhne gesucht“ der Söhne Mannheims (nicht dass ich die jetzt besonders toll finden würde) nahm ihn aus 600 Bewerbern Raggae-Man Marlon B. unter seine Fittiche. Nach drei Tagen „chillin´“ mit Xavier und Brüdern aber auch harter Arbeit befanden die Söhne Bronk “ für würdig, sie im Video zur aktuellen Single zu vertreten, und fähig, vor zehntausenden mit ihnen auf der Berliner Waldbühne zu stehen, die in grauer Vorzeit immerhin schon von den Stones - als sie zu sowas noch fähig waren – zünftig zerlegt wurde. Aber das ist eine andere Geschichte. Am Fr, 18.9., 20.30Uhr, ist Florian im Jubez zu sehen.

Mittwoch, 12. August 2009

Jack White endgültig rehabilitiert

Mit den White Stripes konnte ich nie wirklich etwas anfangen. Schon irgendwie spannend, ja, aber doch zuviel Rumpel-Pumpel und Larifari, was für Visions-Leser eben. Das zweite The Raconteurs-Album, Consolers of the Lonely, fand ich dann doch ziemlich überzeugend - konnte einen glatt über die gescheiterte Led Zeppelin-Reunion hinwegtrösten, auf die ich allerdings ohnehin nicht gerade mit kaltscheißigen Händen gewartet hatte. Jetzt kommt der gute Jack schon wieder mit einem neuen Projekt aus der Garage - oder dem Stall, jetzt wohnt er ja irgendwo in den Südstaaten: The Dead Weather. Am Debut Horehound kann man sich nun ziemlich festhören. Fettester Bluesrock, der oftmals an die ganz alten Heroen wie Cream oder James Gang denken lässt. Doch ich schweife ab. Jedenfalls entdecke ich beim rumsurfen auf Youtube dieses Video:

http://www.youtube.com/watch?v=svx39gvd-0I

The Dead Weather covern Pentagrams "Forever My Queen". Wie geil ist das denn?
Das Teil soll wohl auch als 7" erscheinen, womit sich White endgültig als genialer Eklektiker outet. Wer meine Begeisterung nicht versteht, und das werden die meisten unter dreißig, beginne seine Recherchen über diese wegweisende Band am besten hier:

http://www.myspace.com/bobbydarlingpentagram

Viel Spaß und Erkenntnis!

Freitag, 7. August 2009

I know, it´s only Gore-Metal-Boogie-Bluegrass-Techno-Death-Jive-Gospel-Waltz-Fast-Bossa (But I Like It)

Brutal Polka, 6.8., Karlsruhe, Die Stadtmitte. Was haben ein schwuler Polizist, ein Hot-Dog, ein Ledermaskenmann, die Imperialen Sturmtruppen und Fred Feuerstein gemeinsam? Natürlich nichts, trotzdem spielen sie gemeinsam Brutal Polka. Die gleichnamige Band, deren Lineup so fetischistisch vielfältig kostümiert wie multikulturell zusammengesetzt ist - die Mitglieder leben in den USA, Israel und Speyer – bezeichnet sich selbst als eine "in der israelischen Punkrock-Szene verwurzelte Gore-Metal-Boogie-Bluegrass-Techno-Death-Jive-Gospel-Waltz-Fast-Bossa-Band, deren Anfänge in einem anonymen Proberaum, auf einem nicht näher genannten Schulgelände, einer gänzlich unbekannten Stadt in einem namenlosen Staat liegen, die antrat eine bedeutende gefeierte sehr berühmte Pop-Gruppe zu werden und die mit ihrem schwach besuchten Konzert im örtlichen Underground-Club ihren Karrierehöhepunkt erreicht, wie jede andere auch."
Dem wäre an sich Nichts hinzuzufügen, denn Brutal Polka hätten ihren Stil nicht präziser beschreiben können - auch wenn der Gospel-Einfluss nicht überschätzt werden sollte – und die zahlende Kundschaft am Donnerstag im Club Die Stadtmitte beschränkte sich auf magere 35 Personen, aber der Unterhaltungswert war doch beträchtlich und rechtfertigt somit die Überlieferung des Ereignisses. Nicht unerwähnt bleiben sollen auch Dropkid aus Stuttgart, die mit melodischen Hardcore vor drei Leuten alles gaben. Dann geht´s los mit Brutal Polka und für deren Show gibt es nur ein Adjektiv: Durchgeknallt. Kramer E. Frog (schwuler Polizist), zuständig für Gesang und Keyboards, sieht aus wie er heißt, bewegt sich wie er heißt und singt wie er heißt. Außerdem steht nach dem dritten Song in der Unterhose da. Darüber hinaus hält er Avocados für Teufelswerk und wird von seiner Mutter auf Tour geschickt, damit er we-nigstens etwas Bewegung bekommt. IZ, der Klonkrieger Gitarrist, hält sich meist pogend im Publikum auf, es sei denn er hat gerade ins Mikrophon zu kreischen. Sein steinzeitlicher Widerpart, Double Boy, steht aufgrund seiner beträchtlichen Körpermasse meist dem Bass spie-lenden Hot Dog im Weg – die halbe Band ist obendrein blind wie die Grottenolme, weigert sich aber aus Imagegründen auf der Bühne Brille zu tragen –, das trotzdem „einfach nur begeistert“ ist. Latexmann Georgius Ceasar an den Drums ist einfach nur er selbst.
An der Musik hätten Frank Zappa und Captain Beefheart genauso ihre Freude gehabt wie Mike Patton oder die Toy Dolls. Und wer Alben wie A Tribute to Mainstream und Politics Shmolitics mit Songs wie „Let's Send The Ku Klux Klan Into The Fire Pitts In The Depths Of Hell“, „When Did Fat Mike Become A Hippie?“ oder "Micropenis“ aufnimmt, der hat ohne jeden Zweifel noch eine große Zukunft vor sich.
Auch in Sachen Konzertdramaturgie gehen Brutal Polka ganz neue Wege: Der letze Song heißt „Fuck The World“. Georgius Ceasar lässt ihn mit einem fünfminütigen „Drumsolo“ ausklingen, indem er den einen pfeilschnellen Beat bis zur völligen Rammdösigkeit immer weiterspielt. Für das Publikum eine Geduldsübung. Dann kommt die Band zurück und tanzt (!) mit allen im Saal Polka. Schließlich kippt Georgius Ceasar vom Hocker. Trotzdem gibt es eine Zugabe. Sie heißt „Love Me“. Abgang Band, Abgang Caesar: Man sieht, er trägt Gummihosen und schwere Kampfstiefel. I know, it´s only Gore-Metal-Boogie-Bluegrass-Techno-Death-Jive-Gospel-Waltz-Fast-Bossa (But I Like It).

Montag, 3. August 2009

Dave Wyndorf ist fett, doch Monster Magnet sind es auch

Monster Magnet, Karlsruhe, Substage, 17.06.

Die schlechte Nachricht vorneweg: David Wyndorf der letzte Held des Psychodelic-Rock ist voll fett. Die gute Nachricht hinterher: seine Band Monster Magnet ist es auch; noch immer. Ok, beim Konzert Substage ging Dave „Schlangenbeschwörer“ Wyndorf vielleicht nur noch als „Häuptling Fette Schlange“ durch, aber dafür ist der Mann im Gegensatz zu vielen ande-ren im Drogenbereich ähnlich engagierten Kollegen noch am Leben. Muss man auch mal se-hen. Andererseits soll es (weibliche)Fans geben, die der Band auf der gesamten Tour hinter-her reisen, nur um den Meister zur Weiterverfolgung seiner Drogenkarriere zu bewegen – was für einen Körper Heroin und etwas Sport meißeln können beweist Iggy Pop seit Jahrzehnten , doch sollte man für Wyndorfs Standhaftigkeit eher dankbar sein, denn wie man im Substage sehen konnte: Jedes zusätzliche Gramm ist Charisma Pur.
Daran konnte auch der schlabberige Kapuzenpulli, den Wyndorf - wie schon letzten Sommer auf dem South-Side-Festival trotz gefühlter 85° und 100 Prozent Luftfeuchtigkeit - während des gesamten Konzerts trug, konnte daran nichts ändern. Die Fans im seit Wochen ausver-kauften Substage gingen vom ersten Augenblick an voll mit. Kein Wunder, denn knapp zwei Jahrzehnte nach ihrer letzten Clubshow in Karlsruhe – die Band aus New Jersey spielte da-mals im Musikclub Katakombe - spulten Monster Magnet ein Best-Off-Programm runte, das (fast) keine Wünsche offen ließ: Es dominierten die 90er mit den Alben Powertrip, Dopes to Infinity und Spine of God. Heraus stachen ein grandioses „Zodiac Lung“, nur mit Gesang und Gitarre, der Indie-Knaller "Negasonic Teenage Warhead" und die Hits der kommerziell erfolgreichen Powertrip-Phase „Crop Circle“, „Powertrip“ und „Space Lord”. Das Schwer-gewicht legte Schwergewicht Wyndorf also auf straighten Rock, die psychedelische Vergan-genheit blieb etwas außen vor. Der heimliche Greatest- Hit aller Bulldog-Jünger der ersten Stunde, „Nod Scene“, wurde übergangen (heul!). Trotzdem steht fest: Auch ein übergewichti-ger Wyndorf lässt uns live nicht verhungern.

Sonntag, 2. August 2009

Stefan Gaffory: Kreisklassenhölle

Mit Kreisklassenhölle (Pro Business Verlag) hat Stefan Gaffory so etwas wie einen negativen Bildungsroman vorgelegt und gebärdet sich dabei wie ein von Hass getriebener Heinz Strunk: Der Held entwickelt sich vom naiven Landei zum absoluten Psychopathen. Während seiner Degeneration gerät er, da sich seine Rachepläne gegenüber der feindlichen Umwelt mit schöner Regelmäßigkeit gegen ihn selbst richten, in immer wahnwitzigere Situationen und Konflikte. Erschreckender Weise haben wir diese, wenn auch in meist abgeschwächter Form, so oder ähnlich schon selbst erlebt, so dass sich zahlreiche Punkte angewiderter Identifikation ergeben. Gaffory schreibt Lebensnah, hält sich gerne auf wo´s weh tut, hat also reichlich Street Credibility. Nervig ist allein der Hang des Autors sich über tausende Zeichen in übermäßiger Misanthropie zu aalen, dafür wird man allerdings alle paar Seiten mit einem echten Brüller belohnt: Gafforys Sinn für Situationskomik ist grandios und allein die Story wie der Held im Drogenrausch ein Stück Gammelfleisch zur Idol seiner noch zu gründenden Sekte zu stilisieren versucht, sollte dem Leser 237 Seiten literarische Selbstkasteiung wert sein.

Samstag, 1. August 2009

The Whip

Whip/Marcel Gein, So, 19.5., Jubez, Karlsruhe

Abseits seiner Hauptband Timesbold widmet sich, Sänger und Gitarrist Jason Merritt, alias Whip, dem Spannungsfeld zwischen Singer/Songwriter-Musik, Folk und Country. Am Sonntag ließ Merritt im Jubez am Kronenplatz weniger die Polit-Peitschen knallen (Im angelsächsischen Raum bezeichnet man den Parlamentarischen Geschäftsführer oder „Einpeitscher“ einer Fraktion, der für ein einheitliches Abstimmungsverhalten der Fraktionsmitglieder sorgen soll, als Whip) als Bäche von Tränen fließen. Das Vorprogramm bestritt Marcel Gein, Leadsänger der letztjährigen „New.Bands.Festival“-Siegerband Perry O’Parson. Solo gab sich der Windener weniger als Power-Folk-Maniac, denn als Generationengrenzen überwin-dender - allerdings mit etwas sperrigem Songmaterial ausgestatteter - Pontifex zwi-schen Donovan und Adam Green.
Nach längerer Umbaupause, welche der Hauptattraktion des Abends hauptsächlich dazu diente vor dem Club ein halbes dutzend Selbstgedrehter zu konsumieren, be-quemt sich Merritt im arbeiterbewegten Folkie-Revoluzzer-Look mit Schwarzer Filzja-cke, braunen Hosen und grobem Schuhwerk, schließlich doch noch zu seinem Ar-beitsplatz, um sogleich ein Klagelied an eine verflossene Liebe anzustimmen, schön. Doch wo Merritts melancholischer Pathos bei seiner Hauptband Timesbold in den multiinstrumentellen Klanglandschaften seiner Mitspieler ein Gegengewicht erhält, trifft dieser den Hörer bei seinen Solokonzerten mit voller weinerlicher Wucht. Auf Dauer ist das etwas Mühsam. Merritt scheint das auch selbst zu ahnen und orchest-riert seine Lieder mit allerlei Samples und Effekten, singt in zwei Micros, eines ohne Hall und eines mit sehr viel davon. „Ich mag die Geschichten“, so hat der große Ray Charles einmal seine Liebe zur Country-Musik begründet, aber richtige Geschichten gibt es bei Merritt eigentlich kaum, dafür viel Hall und Rauch und Beben in der Stim-me, die Knöchel affektiert leidend nach innen gekrümmt. So etwas wie Country- oder Folk-Gemütlichkeit kommt zu keiner Zeit auf und schlimm wäre das nicht weiter - denn so was gab es bei Johnny Cash oder Nick Drake auch nicht – erschöpfte sich Merritts Poesie nicht in Betroffenheitslyrik. Doch wo Drake mit tiefgründigen Texten wahrhaft berührte, und Cash wie kein Zweiter in wenige Worte ganze Tragödien klei-den konnte, klischiert der Timesbold-Kopf im Künstlerhut mit irgendwie gesucht wir-kenden, teils Bizarren, Gefühls-Symphonien für vierzigjährige Esoterikinteressierte, den süß-schweren Duft später Blüten im Herbst und vertrockneter Rosen inklusive. Dann doch lieber eine gute Geschichte.

Black Sabbath - und sie sind es doch!

Heaven & Hell, Europahalle Karlsruhe: „Ronnie James Dio hat drei Eier“, sagt der kanadische auch in Indie-Kreisen erfolgreiche Rockmusiker und bekennende Heavy Metal-Fan Danko Jones. Damit könnte man es eigentlich bewenden lassen, doch das wäre ungerecht: Der amerikanische Sänger ist zwar spätestens seit seinem 1983 veröffentlichten Debüt-Solo-Platinalbum Holy Diver so etwas wie der Inbegriff des Heavy Metal - sorry Manowar -, doch denkbar ist diese Erfolgsgeschichte kaum ohne das Zwischenspiel bei der Band Black Sabbath (1979-82). Die britischen Finster-Rock-Väter hatten sich Ende der 70er endgültig mit ihrem Frontmann Ozzy Osbourne entzweit und suchten verzweifelt nach einer Alternative. Dio hatte unter dem Banner Rainbow mit Ritchie Blackmore mehrere erfolgreiche Alben aufgenommen, doch zerbrach die Liaison an der zunehmenden Pop-Orientierung des Ex-Deap-Purple-Gitarristen. Dio packte die Gelegenheit beim Schopf, zog Sabbath am selbigen aus dem Drogensumpf und hauchte dem künstlerisch bankrotten Bandgefüge neues Leben ein. Das Ergebnis waren zwei Meilensteine der Rockgeschichte: die Alben „Heaven and Hell“ und „Mob Rules“. Danach verkrachte man sich wegen Egomanie, fand sich in den 90ern noch einmal für die sträflich unterschätzte Platte Dehumanizer zusammen und pflegte ansonsten seine Animositäten.
2007 begrub man diese zumindest soweit um eine gemeinsame Tour durchzuziehen und das gelang offenbar so gut, dass man sich sogar daran wagte wieder gemeinsam zu schreiben. Das Ergebnis nennt sich The Devil You Know und am Montag präsentierten sich Dio, Iommi und Co. unter dem Bandnamen Heaven and Hell in der Europahalle auch wieder live: Nach dem Intro „E5150“, ging man mit den Klassikern „Mob Rules“ und „Children of the Sea“ auf Nummer sicher, doch zündete erst „I“ vom ersten Reunion-Album richtig. Überhaupt erwiesen sich neue Songs wie „Bible Black“, „Fear” und „Follow the Tears“ als echte Highlights. Hits wie „Vodoo“ oder „Sign Of The Southern Cross“ fehlten dagegen, doch ist es für eine Band, die nie größere Ausfälle fabriziert hat, wahrscheinlich unmöglich, in Sachen Songauswahl jeden zufrieden zu stellen.
Über jeden Zweifel erhaben waren dagegen die Musiker: Zwar hatte Dio zu Beginn trotz überdurchschnittlicher Hodenanzahl mit einigen Tönen zu kämpfen, doch wen interessiert das solange Toni Iommy seine Gibson SG bearbeitet? Der große alte Mann der Heavy Metal Gitarre ist für sein Genre dasselbe wie B.B. King für den Blues: der letzte puristische Meister seines Fachs. Doch nach spätestens drei Liedern singt Dio auch im geschätzten Furcht erregenden Alter von über achtzig derart überirdisch, dass man meinen möchte, er habe in den 30er Jahren gleich Blueslegende Robert Johnson im Austausch für seine Kunstfertigkeit seine Seele dem Teufel verkauft. Bassist Geezer Butler macht derweil, was er seit nunmehr 40 Jahren tut: stoisch vor sich hin spielen, wobei sein symbiotisches Zusammenspiel mit Iommi seinesgleichen sucht. Bleibt noch Schlagzeuger Vinnie Appice: dessen Drumsolo sei etwas anachronistisch, meint ein Zuhörer. Ok, aber was an dieser Band und ihrem Publikum ist bitte zeitgemäß? “Die Young”, heißt der letzte Song des regulären Sets, doch diesen Zug haben die Band und der grossteil des Publikums gleichermaßen verpasst. Doch wen stört dass, solange er drei Eier hat?

Starbax: "Hits To Go"

Mit Hits To Go haben Starbax ein frisches US-Pop-Punk-Album vorgelegt. Die Jungs können spielen, das Songwriting ist abwechslungsreich und auch der Sound geht in Ordnung. Hits To Go wäre also durchaus ein Treffer, läge man gesanglich nicht durchschnittlich einen Viertelton daneben, was den Hörspaß leider deutlich mindert. Ist bei Punkrock doch egal, könnte man einwenden, nur: Bei den US-Kollegen von Blink182, Green Day oder Sum41, auf die man sich unverblümt beruft, stimmt´s halt einfach. OK, die haben mehr Kohle für Autotune und all so was, aber man kann sich ja auch auf natürlichem Wege behelfen: Gesangsunterricht ist keine Schande, auch für echte Punkrocker.

Perry O' Parson: "In Our Time Of Need"

In Our Time Of Need heißt die neue CD der Karlsruher Neo-Folk-Band Perry O´Parson. Und was soll man sagen: Die Gewinner des new.bands.festivals 2008 tragen ihre Emotionalität ganz ohne ein Quäntchen dieser widerwärtigen Indie-Affektiertheit, ohne die das ganze alternative Musikmagazin-Pack heute nicht mehr auszukommen meint, völlig vergessend, dass es nicht zwangsläufig von einem komplexen Innenleben zeugt, fünfzehjährigen Emogören einen vorzuheulen. Sänger Marcel Gein hat zwar offenbar auch ´ne schwere Kindheit und für einen Anfang-Zwanziger viele überaus erschütternde Beziehungsdramen hinter sich, aber ihm gelingt es zumindest das stimmlich glaubhaft zu untermauern. Find´ich gut, die Platte.